Zitelmann: Ja, in der Tat. Der eigentliche Skandal war aber nicht einmal, dass da eine Frau von der Revolution und der Erschießung der Reichen sprach, sondern die Reaktion des Parteivorsitzenden Bernhard Riexinger. Der meinte darauf nämlich nur: „Ich wollte noch sagen, wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.“
Zitelmann: Ich glaube weder, dass die Linke die Erschießung von 820.000 Reichen vorbereitet (in dem Redebeitrag war davon die Rede, was wäre, „wenn wir das eine Prozent der Reichen erschossen haben“) noch, dass in nächster Zeit die Einrichtung von Arbeitslagern geplant ist. Doch hinter solchen Äußerungen steckt ein tief sitzender Reichenhass. Und es gibt einflussreiche Kräfte in der Linkspartei, die sich auf den bolschewistischen Revolutionär Leo Trotzki berufen, an den dessen Händen Blut klebte. Wie so oft in Revolutionen wurde er übrigens später selbst ermordet, und zwar in Mexiko von einem Agenten Stalins mit einem Eispickel.
Zitelmann: Das stimmt. Zwar berichteten viele Medien, aber beispielsweise abends in den Tagesthemen oder dem Heute-Journal erfuhr der Zuschauer kein Wort von diesem Skandal. Das wäre bei entsprechenden Äußerungen aus der AfD gegen Migranten garantiert ganz anders gewesen. Aber hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Hass gegen Minderheiten wie Migranten, Homosexuelle usw. wird scharf verurteilt. Zu Recht. Aber Hass gegen Reiche ist irgendwie ok.
Zitelmann: Nein, die Attacke auf die Reichen hat in vielen Ländern begonnen. Bernie Sanders, einer der aussichtsreichsten Kandidaten bei den Vorwahlen, die gerade in den USA stattfinden, bezeichnet sich selbst als Sozialist und punktet gerade bei jungen Amerikanern mit klassenkämpferischen Parolen und Hetze gegen die Reichen. In Großbritannien haben die Trotzkisten einen großen Einfluss in der Labour-Party. John McDonnell ist dort einer der einflussreichsten Politiker. Noch 2006 nannte er in einem Interview als die drei Personen, die ihn am meisten beeinflusst hätten: Marx, Lenin und Trotzki.
Zitelmann: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Junge Menschen sind oft idealistisch und träumen Utopien einer besseren Gesellschaft. Das ist okay und war in meiner Jugend genau so. Aber man muss ihnen zeigen, dass der Traum von einer perfekten Gesellschaft fast immer im Albtraum einer Barbarei geendet hat. Das ist die Lehre der Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Bild: privat