Erfolg ist aus meiner Sicht etwas sehr Persönliches und Individuelles. Es lässt sich nicht allein durch äußere Maßstäbe wie den beruflichen Status oder durch finanzielle Gewinne definieren.
Für mich beginnt Erfolg, wenn jemand seine selbst gesteckten Ziele erreicht – egal, ob es sich dabei um berufliche oder private Ziele handelt. Wenn man mit dem, was man erreicht hat, zufrieden ist und das Gefühl hat, seinem Leben eine Richtung gegeben zu haben, dann kann man sich durchaus erfolgreich nennen. Erfolg ist also weniger das Ergebnis äußerer Anerkennung, sondern vielmehr das Gefühl innerer Erfüllung.
Der Begriff »German Angst« beschreibt treffend eine Mentalität, die in Deutschland verbreitet ist: eine gewisse Ängstlichkeit; insbesondere in Bezug auf Risiko und Veränderung. Diese Haltung spiegelt sich in der Tatsache wider, dass nur neun Prozent der Erwerbstätigen den Schritt ins Unternehmertum wagen. In Ländern wie den USA wird Scheitern oft als notwendiger Bestandteil des Lernprozesses angesehen und sogar als Erfahrung geschätzt. Wer dort nach einem Misserfolg weitermacht, wird häufig respektiert, weil er den Mut hatte, es überhaupt zu versuchen.
In Deutschland hingegen wird Scheitern oft als endgültiger Misserfolg betrachtet. Das schreckt viele potenzielle Unternehmer ab, da sie fürchten, gesellschaftlich abgestempelt zu werden, falls ihr Vorhaben nicht sofort erfolgreich ist. Unternehmertum erfordert jedoch genau diese Bereitschaft, Risiken einzugehen und aus Fehlern zu lernen. Hinzu kommt, dass viele der jüngeren Generation dazu neigen, in ihrer Komfortzone zu bleiben. Unternehmerisches Handeln aber bedeutet, diese Komfortzone zu verlassen und sich ständig neuen Herausforderungen zu stellen – ein Umfeld, das kaum mit einem klassischen Nine-to-Five-Job vergleichbar ist. In meiner Erfahrung kenne ich keinen erfolgreichen Unternehmer, der es ohne diese Bereitschaft, Unsicherheit und Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, .
Die Vielzahl an Insolvenzen, sowohl bei Start-ups als auch bei Traditionsunternehmen wie Illig, Kessko oder Hussel, lässt sich oft darauf zurückführen, dass sich Unternehmen nicht rechtzeitig an veränderte Marktbedingungen anpassen. Warum die einzelnen Firmen pleitegegangen sind, lässt sich nicht pauschal beantworten, doch eines ist klar: Wer als Unternehmer überleben will, muss flexibel sein und bereit, sein Geschäftsmodell an neue Gegebenheiten anzupassen. Das Darwinprinzip bietet hier eine wichtige Lektion: Nicht der Größte, Stärkste oder Schnellste überlebt, sondern derjenige, der sich am besten an neue Situationen anpassen kann.
In meinem Buch gibt es viele Erfolgsgesetze, die auf die aktuelle Situation zutreffen. Dazu gehören etwa die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die Aktivität zu erhöhen und das richtige Mindset zu entwickeln. Diese Aspekte sind entscheidend, um sich den Herausforderungen zu stellen und erfolgreich zu bleiben.
Es hat mich sehr überrascht, dass die Bundesjugendspiele abgeschafft wurden und damit eine Art »Kuschelpädagogik« den Sieg davongetragen hat. Diese Entwicklung spiegelt eine breitere gesellschaftliche Tendenz wider: Der Leistungsgedanke scheint zunehmend unpopulär zu werden. Dies zeigt sich nicht nur im schulischen Kontext, sondern auch im beruflichen Umfeld.
Meine Haltung dazu ist klar: Leistung muss sich lohnen. Wer sich einsetzt und mehr Gas gibt, sollte am Ende auch mehr bekommen als diejenigen, die sich zurückhalten. Im Beruf ist es entscheidend, dass diejenigen, die mehr leisten und mehr Verantwortung übernehmen, auch entsprechend gefördert und belohnt werden. Wenn dieser Leistungsaspekt nicht mehr betont wird, riskieren wir, eine Kultur der Mittelmäßigkeit zu fördern, in der Anstrengung und Engagement keinen Unterschied mehr machen. Letztlich ist es aber genau diese Leistungsbereitschaft, die Unternehmen und Individuen voranbringt – und die sollte nicht untergehen, sondern stärker gewürdigt werden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen Tendenz, Leistung weniger zu fördern, könnten erheblich sein. Viele Jahre im Vertriebsmanagement haben mir gezeigt, wie wichtig Anreizsysteme sind, um Menschen zu motivieren, die Extrameile zu gehen. Verkäufer, die wissen, dass sie für mehr Einsatz belohnt werden, bringen bessere Ergebnisse und tragen entscheidend zum Erfolg des Unternehmens bei.
Wenn wir diese Anreize jedoch in der breiteren Arbeitswelt zunehmend abschaffen oder verwässern, wird es für viele Menschen weniger attraktiv, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen. Gerade in Zeiten, in denen Berechnungsmodelle zeigen, dass Bürgergeldempfänger teilweise mehr verdienen als arbeitende Menschen, ist es besonders kritisch, Anreize für Engagement und Leistung zu setzen. Dies ist nicht nur demotivierend für diejenigen, die sich im Berufsleben voll einbringen, sondern auch schädlich für die wirtschaftliche Dynamik.
Ohne klare Anreize, die Leistung belohnen, riskieren wir, dass Produktivität und Innovation stagnieren. Unternehmen könnten Schwierigkeiten haben, motivierte Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und über das Minimum hinaus zu arbeiten. Langfristig könnte dies die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigen und zu einer Kultur führen, in der durchschnittliche Leistung akzeptiert wird, während echte Wertschöpfung und Spitzenleistungen seltener werden. Um dies zu verhindern, müssen wir Systeme entwickeln, die klar zeigen, dass sich Einsatz und Engagement lohnen.
André May ist Autor, Trainer und Redner mit dem Fokus auf Motivation, Recruiting und Vertrieb.
Sein neues Buch »Durchbruch« erscheint im August.
Beitragsbilder: Privat; Felikss Francer
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