Beim EU-Gipfel in Brüssel standen am 18./19. Dezember 2025 zwei der zentralen außen- und wirtschaftspolitischen Fragen ganz oben auf der Tagesordnung: die finanzielle Unterstützung der Ukraine im andauernden Krieg mit Russland und der umstrittene Freihandelsvertrag mit dem Mercosur-Block. Die Ergebnisse sind gemischt: Zwar wurde für Kiew ein bedeutendes Finanzpaket beschlossen, zugleich aber der Handelsabkommen-Start vertagt – ein Zeichen für politische Zerklüftung im EU-Raum.
90 Milliarden Euro für die Ukraine – ohne direktes Asset-Mandat
Nach langen Verhandlungen einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU darauf, der Ukraine für die Jahre 2026 und 2027 ein zinsloses Darlehen in Höhe von 90 Milliarden Euro bereitzustellen. Diese Summe soll über gemeinsame EU-Schulden (EU-Borrowing) finanziert werden und Kiew in seiner Verteidigung gegen die russische Invasion unterstützen. Ursprünglich war geplant, die finanziellen Mittel mithilfe der in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu sichern oder gar direkt zu verwenden – ein Ansatz, der letztlich aus rechtlichen und politischen Gründen, insbesondere wegen Widerstandes aus Belgien und anderen Staaten, nicht umgesetzt wurde. Stattdessen sollen die eingefrorenen rund 210 Milliarden Euro zunächst weiter blockiert bleiben, mit der Option, sie eventuell später zur Rückzahlung heranzuziehen, falls Russland keine Reparationen leisten sollte.
Der Kompromiss wurde sowohl als politische Notwendigkeit als auch als signalpolitischer Schritt gewertet: Einerseits demonstriert die EU den Willen, die Ukraine langfristig zu unterstützen und der russischen Aggression entgegenzuwirken, andererseits zeigt er die inneren politischen Grenzen der Union, wenn es um Nutzung eingefrorener russischer Gelder geht. Länder wie Ungarn, die Tschechische Republik und die Slowakei sicherten zu, dem Plan zuzustimmen, solange ihre eigenen finanziellen Verpflichtungen begrenzt blieben.
Ukrainische Führungspolitiker begrüßten die Entscheidung als »Stärkung unserer Widerstandskraft in entscheidenden Jahren«, während Russland die fehlende Verwendung seiner Vermögenswerte auffasste und diplomatisch als Sieg interpretierte.
Mercosur-Abkommen vertagt – Enttäuschung für von der Leyen
Parallel zum Ukraine-Paket sollte die EU ursprünglich auch einen Freihandelsvertrag mit dem südamerikanischen Mercosur-Block (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) feierlich unterzeichnen – ein Abkommen, das seit mehr als 25 Jahren verhandelt wird und die größte Freihandelszone der Welt geschaffen hätte. Dieser Schritt wurde jedoch kurzfristig auf Mitte Januar 2026 verschoben, nachdem mehrere Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, Italien und Polen, massive Bedenken angemeldet hatten – insbesondere hinsichtlich des Schutzes der europäischen Landwirtschaft vor billigen Importen aus Südamerika.
Die Entscheidung gilt als politischer Rückschlag für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ursprünglich persönlich zur Unterzeichnung nach Brasilien reisen wollte. Kritiker führen an, dass ungelöste Umwelt- und Landwirtschaftsfragen sowie fehlende parlamentarische Zustimmung weiterhin zentrale Hürden darstellen.
Ein Gipfel der Widersprüche
Der Dezember-Gipfel in Brüssel machte deutlich, dass die EU in entscheidenden außen- und wirtschaftspolitischen Fragen handlungsfähig, aber nicht einheitlich ist: Während die Staats- und Regierungschefs einen breiten Konsens hinsichtlich der Ukraine-Finanzierung fanden, zeigten sich bei langfristigen Handels- und Integrationsprojekten nach wie vor tiefe Differenzen. Beobachter sehen darin ein Abbild der gegenwärtigen strategischen Zerreißprobe der Europäischen Union, bei der geopolitische Solidarität und wirtschaftliche Interessen nicht immer in Einklang zu bringen sind.
SK