Der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, hat mit klaren Worten die Debatte um Arbeitszeiten, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland neu entfacht. Im Gespräch mit Medienvertretern forderte Sewing, dass die Deutschen wieder mehr und länger arbeiten müssten, um die strukturellen Herausforderungen der Wirtschaft zu meistern.
Reformdruck und Produktivität
Sewing kritisierte, dass die bisherigen Reformanstrengungen der Bundesregierung nicht ausreichten, um das wirtschaftliche Wachstum langfristig deutlich zu steigern. Deutschland hinke in wichtigen Wettbewerbsindikatoren hinterher, und dies sei nicht nur eine Frage von Investitionen, Regulierung oder Fachkräftezuwanderung, sondern auch eine Frage des Leistungswillens – einschließlich der Bereitschaft, länger und intensiver zu arbeiten. »Damit wir auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir … unterm Strich wieder mehr arbeiten müssen«, sagte Sewing.
Er verwies darauf, dass ein struktureller Reformkurs notwendig sei, um den Wachstumstrend wieder über die Ein-Prozent-Marke zu heben – ein Ziel, das die Regierung ausgegeben habe, das jedoch ohne zusätzliche Anstrengungen von Staat, Unternehmen und Beschäftigten schwer zu erreichen sei.
Wirtschaftliche Lage 2026 und Arbeitsmarkt
Sewing zeigte sich gleichzeitig optimistisch, was den Arbeitsmarkt betrifft: Für 2026 erwartet der Bankenverband eine weitere Abnahme der Arbeitslosigkeit um bis zu 100.000 Personen, was die Zahl der Arbeitslosen unter drei Millionen drücken könnte. Eine stabile Inflationsrate um rund zwei Prozent und weitgehend unveränderte Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) würden ebenfalls zur wirtschaftlichen Normalisierung beitragen.
Doch gerade in Kombination mit diesen positiven Signalen betonte Sewing, dass ohne mehr Produktivität und Leistungsbereitschaft der Wirtschaftsstandort Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen könnte – gerade im europäischen und globalen Vergleich. Daten zur durchschnittlichen Arbeitszeit zeigen, dass Deutschland oft unter dem EU-Durchschnitt liegt, was in Kombination mit hoher Regulierung und Bürokratie teilweise zu Effizienzdebatten beigetragen hat.
Debatte im gesellschaftlichen Kontext
Sewings Aussagen treffen einen Nerv in einer breiteren öffentlichen Diskussion über Arbeitskultur, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Gewerkschaften und Sozialverbände stehen solchen Forderungen häufig kritisch gegenüber, weil sie die Lebenswirklichkeiten vieler Beschäftigter – etwa mit Teilzeit, Familienpflichten oder Pendelzeiten – berücksichtigen. Gleichzeitig sehen Arbeitgebervertreter in mehr Flexibilität und Leistungsbereitschaft einen Schlüssel, um Wachstum und Investitionen zu stärken.
Unabhängig davon bleibt klar: Die Debatte über Arbeitszeiten und Produktivität ist längst nicht nur ein Thema für Ökonomen und Verbände – sie berührt zentrale Fragen der Zukunft der Arbeit, der Lebensqualität und der Wettbewerbsfähigkeit einer exportstarken Volkswirtschaft in Zeiten globaler Umbrüche.
SK