Deutschlands Wirtschaft geht es prächtig. Die Auftragsbücher sind gefüllt. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, an jeder Ecke scheinen neue Häuser gebaut zu werden und die Unternehmer gründen zahlreiche Gesellschaften. Damit könnten wir zufrieden sein. Doch schauen wir etwas tiefer, sehe ich einen gefährlichen Trend. Wir sind nach wie vor Exportweltmeister, unsere Produkte sind begehrt. Hidden Champions, moderne Maschinenbauer von der Schwäbischen Alb und made in Germany sind Legende. Bei der Digitalisierung aber haben wir den Zug verpasst – und dies betrifft zwei Aspekte.
Zum einen ist es offenkundig, dass nahezu alle wichtigen IT-Dienstleistungen, die wir privat nutzen, von US-Anbietern kommen: Apple, Google, Amazon, Facebook, alle von der amerikanischen Westküste, meist aus Kalifornien. Damit gehen nicht nur Umsätze verloren, sondern bekanntlich auch wertvolle Daten – die einen mindestens ebenso großen geldwerten Vorteil für die Firmen darstellen.
Die zweite Facette des Verschlafens ist ebenso schlimm: Unsere ausgefeilten, zuverlässigen und soliden Produkte haben weltweit den besten Ruf und auch nach wie vor ihren Markt. Sie sind allerdings kaum ans Internet angeschlossen, miteinander vernetzt (wie es das Geheimnis der IT-Größen ist) und auch selten intuitiv oder per App bedienbar, sofern es sich um Geräte für den Endverbraucher handelt. Natürlich liegt dies auch daran, dass sich Hidden Champions vor allem an Industriekunden wenden und manche Produkte eben Nischen bedienen (wo für eine Vernetzung und betriebswirtschaftlich wichtigeSkalierungen der Massenmarkt fehlt). Gleichzeit zeigt dies jedoch, dass die deutsche Wirtschaft an dieser Stelle ziemlich schwach aufgestellt ist. Das muss sich ändern.
Flankiert wird dies alles durch Risikokapital, frei verfügbar und in Mengen. D;och dies ist nicht alles. Venture Capital aufzutreiben, ist auch in Deutschland kein Problem. Schließlich sind hier viele spannende, hochinteressante Firmen beheimatet und mit Milliardenrisikokapital angeschoben worden, vor allem in Berlin. Was jedoch neben dem schieren Geld in Kalifornien hinzukommt, ist das komplette VC-Ökosystem mit Spezialagenturen z. B. für Patente, für Markenanmeldung und selbstverständlich auch die rechtliche Abwicklung. Diese Industrie ist hochspezialisiert und sucht weltweit ihresgleichen. Auch dies muss sich ändern und hierzulande verbessern.
Qualität und made in Germany haben noch immer einen starken Ruf und unsere Wirtschaft floriert. Doch die Erfolgsrezepte der Vergangenheit und Gegenwart müssen wir in die Zukunft tragen – und die ist digital, und obendrein in allen Belangen: bei den Produkten und Dienstleistungen, den Arbeitsprozessen, besonders aber auch beim Verhalten der Kunden, die komplett digital denken. Auf diese Dimension und Konsequenzen sind wir viel zu wenig vorbereitet und so ist ein Kraftakt aller wichtigen Branchen und Markführer notwendig, damit wir auch in einem Jahrzehnt noch Vollbeschäftigung haben und Exportweltmeister sind.
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