Der Buffett-Experte David Bader-Egger von Stockanalyzer blickt auf die Karriere des Jahrhundertinvestors zurück
Ich denke, die Zeit ist gekommen« – so erklärte Warren Buffett, das »Orakel von Omaha«, auf der Hauptversammlung am 3. Mai seinen Rücktritt zum Jahresende. Sein seit Jahren aufgebauter Nachfolger Greg Abel werde dann die Geschäfte der Berkshire Hathaway übernehmen.
Ein solcher Schritt kam für viele überraschend, scheint aber wohl ganz im Sinne Starinvestors zu sein: Die Nachfolge ist geklärt, und der Übergang gestaltet sich kontrolliert – ganz im Sinne des Value-Investors, der stets langfristig dachte. Anlässlich seines 95. Geburtstags blicken wir auf die Karriere einer lebenden Legende zurück.
Nach Abschlüssen an der University of Nebraska und der Columbia Business School begann Buffett seine Laufbahn im Investmentbereich bei seinem Vorbild und Mentor Benjamin Graham. Ab Anfang der 1950er-Jahre arbeitete er als Wertpapieranalyst, ehe er eine eigene Kommanditgesellschaft, die Buffett Partnership, gründete.
In den 1960er-Jahren übernahm er über den Textilhersteller Berkshire Hathaway; ein Textilunternehmen, das er in den folgenden Jahrzehnten in eine der größten und erfolgreichsten Holdinggesellschaften der Welt verwandelte. Seine Beteiligungen an Marken wie Coca-Cola, American Express, Apple oder Geico sowie seine disziplinierte Kapitalallokation machten ihn zu einer Ikone. Seine prägnanten Weisheiten wie: »Seid gierig, wenn andere ängstlich sind, und seid ängstlich, wenn andere gierig sind« und »Investiere nie in ein Geschäftsmodell, das du nicht verstehst«, sind heute über die Finanzwelt hinaus bekannt.
Buffett war zugleich als ein Moralist des Kapitalismus bekannt. Sein berühmter »Giving Pledge« – das Versprechen, den Großteil seines Vermögens zu spenden – und seine unaufgeregte Lebensweise prägten sein öffentliches Bild. Er fuhr ein bescheidenes Auto, lebt im selben Haus seit den 1950er-Jahren und trank Coca-Cola zum Frühstück. All das verlieh ihm eine Glaubwürdigkeit, die nur wenige Milliardäre für sich beanspruchen können.
Mit seinem Rücktritt schließt sich ein Kapitel der Investmentgeschichte. Für viele Anleger stellt sich nun die Frage: Wer füllt das Vakuum? Wer bleibt als Orientierung, wenn Märkte nervös reagieren und kurzfristige Trends die Schlagzeilen dominieren? Wie wird seine Philosophie in einer von Technologie getriebenen Finanzwelt weiterleben können? Denn auch wenn sich Märkte verändern, bleibt der Kern seiner Lehre – auf den inneren Wert eines Unternehmens zu achten – zeitlos. Genau an diesem Punkt knüpfen moderne Analysesysteme an. Sie können Buffetts Denkweise ins digitale Zeitalter übertragen, indem sie Unternehmenskennzahlen strukturiert auswerten, langfristige Fundamentaldaten gewichten und mithilfe künstlicher Intelligenz ergänzen. In dieser Form lebt Buffetts Ansatz weiter – nicht museal, sondern praxisnah und zukunftsorientiert.
Beitragsbild: Annalena Haslinger