Vor dem Ostbahnhof in Budapest steht ein Großaufgebot der ungarischen Polizei. Davor kampieren etwa 2.000 Asyl-Suchende, die gerne nach Deutschland weiterfahren würden. Die Fahrkarten für mindestens 100 Euro pro Person haben sie gekauft, doch Ungarn lässt sie nicht in die Züge steigen. Das ungarische Bahnunternehmen versprach, ihnen das Geld für die Tickets zurückzuzahlen.
Der politische Druck von Deutschland auf Ungarn scheint groß zu sein. Gilt doch das Dublin-Abkommen aus dem Jahr 1997. Danach müssen Flüchtlinge in dem EU-Land einen Asylantrag stellen, in dem sie erstmals die Europäische Union betreten haben. In Budapest wird bisher aber niemand registriert. Es ist weiterhin unklar, was mit den vielen Flüchtlingen passieren wird. Aus humanitären Gründen könnten aber andere Länder wie Deutschland die Durchführung eines Asylverfahrens übernehmen. Bei Menschen aus Syrien führt das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das bereits durch.
Am Brennerpass setzte die italienische Polizei das Schengener Abkommen außer Kraft und führt Grenzkontrollen durch. Das Bundesland Bayern hatte darum gebeten, um sich besser auf den Strom von Menschen vorbereiten zu können, heißt es. In Berlin gab es eine Sondersitzung des Innenausschusses. In der Politik soll es jetzt schnell gehen: Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellte in Grundzügen ein Gesetzespaket vor, das im Oktober in den Bundestag gebracht wird. Dabei sollen z.B. Gesetze vereinfacht werden, damit Bauvorhaben für Unterkünfte gerade vor der Winterzeit schneller durchgeführt werden können.
Denn erwartet werden viele neue Flüchtlinge: Alleine im August sollen 100.000 neue Asylanträge in Deutschland gestellt worden sein. Für 2015 sagen Schätzungen etwa 800.000 voraus, viermal so viel wie im Vorjahr. Eine enorme Anstrengung für Bund, Länder, Kommunen und freiwillige Helfer. Eine Milliarde Euro steht bereit. Viel Geld, allerdings viel weniger als bei Bankenrettungsaktionen während der Finanzkrise.
Angst gibt es vor rechtsextremen Übergriffen. Bisher gab es 340 Attacken in diesem Jahr, so Innenminister de Mazière. In manchen Regionen demonstrieren die Bewohner gegen neue Unterbringungseinrichtungen. Doch der Aufstand der Anständigen ist weitaus größer. Am Münchner Hauptbahnhof trafen unentwegt Helfer und Spenden für die Neuankömmlinge ein. Bundesweit sammeln Menschen Kleidung und Essen und heißen die Flüchtlinge willkommen.
Wenn die größten Schwierigkeiten einmal bewältigt sind, können sich für Deutschland auch Chancen daraus ergeben, z.B. wenn die Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Fachkräfte werden dringend gesucht. Wenn man den Flüchtlingen also eine Chance auf ein menschenwürdiges, neues Leben gibt, investiert man gleichzeitig – nicht nur in die Menschlichkeit -, sondern auch in den Standort Deutschland. Also lasst die Menschen aus Ungarn nach Deutschland kommen – wir schaffen das schon! Zusammen!
Langfristig gesehen muss aber selbst ein Industrieland wie Deutschland schauen, wie es einen solchen Ansturm bewältigt. Noch ist Brüssel still, aber für die Zukunft muss es eine europäische Lösung geben. „Auf Dauer ist das auch für Deutschland zu viel. Deswegen brauchen wir zunächst mal europäische Lösungen, um eine gerechte Verteilung innerhalb Europas hinzubekommen. Wir nehmen jetzt in den ersten Monaten dieses Jahres etwas über 40 Prozent der Flüchtlinge auf, die in die Europäische Union kommen. Das ist nicht gerecht“, so Bundesinnenminister de Mazière in der Bundespressekonferenz.
Ein Kommentar von Wirtschaft TV-Chefredakteur Manuel Koch.
Foto: International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies, Flickr