Das oft als »Schwedens Sonderweg« bezeichnete Vorgehen der Regierung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wird häufig als Beispiel dafür genannt, wie locker man angeblich erfolgreich mit dem Virus umgehen könne. Umstritten ist es von Anfang an. Jetzt haben Forscher eine Bilanz gezogen. Laut dem Deutschlandfunk ist das Urteil der vorwiegend schwedischen Wissenschaftler in der Fachzeitschrift »Humanities and Social Scientist Communications« vernichtend. Die Regierung habe sich blind auf das Urteil der schwedischen Gesundheitsbehörde verlassen. Diese wiederum habe die Expertise externer Fachleute und wissenschaftliche Fakten einfach ignoriert.
So gab es während der gesamten Pandemie in Schweden keine Maskenpflicht. Auch andere Schutzmaßnahmen seien vernachlässigt worden, kritisieren die Autoren des Artikels. Autor Jens Sörensen, der am Institut for Global Studies an der Universität Göteborg forscht, sagte, Corona-Tests habe man erst sehr spät eingeführt, und inzwischen werde gar nicht mehr getestet. Außerdem hätten die Behörden keine Kontakte von Infizierten nachverfolgt; in Schulen gab es keine Hygienekonzepte. Die Bevölkerung sei von der Regierung zudem darüber im Unklaren gelassen worden, dass auch Corona-Infizierte ohne Symptome ansteckend sind.
Laut den Wissenschaftlern habe Schweden eine Locked-in-Strategie praktiziert. Alte Menschen und Risikogruppen hätten sich einschließen müssen, wenn sie keine Ansteckung riskieren wollten, und das fast zwei Jahre lang. Scharf kritisiert wurde auch, dass alten Menschen in Pflege- und Altenheimen während der ersten Coronawelle zum Teil Morphin anstelle von Sauerstoff verabreicht wurde. Von den laxen Maßnahmen profitiert hätten vor allem diejenigen, die Schwedens Ökonomie am Laufen halten. In Schwedens Nachbarländern gab es mit durchweg strengeren Corona-Maßnahmen insgesamt deutlich weniger Todesfälle.
In Schweden starben pro 100.000 Einwohner dreimal mehr Menschen an den Folgen einer Coronainfektion als in Norwegen und mehr als doppelt so viele wie in Finnland. Die schwedische Regierung kritisierte angebliche inhaltliche Fehler der Bilanz, ohne jedoch konkrete Aspekte zu benennen.