Wirtschaft TV-Autor Stefan Gäbler im Interview mit Dr. Viktoria Gulya. Sie ist Russland-Expertin und Dozentin der Georg-August-Universität in Göttingen
Wirtschaft TV: Wie gefragt sind denn in der Wirtschaft Mitarbeiter mit Russischkenntnissen?
Gulya: Deutsche Unternehmen suchen händeringend nach Absolventen, die der russischen Sprache, und vor allem den russischen Gepflogenheiten mächtig sind. Wir geben ihnen Werkzeuge an die Hand, mit denen es ihnen leichter fällt, Geschäfte zu machen und Beziehungen aufzubauen. Dies stellt einen erkennbaren Mehrwert für deutsche Unternehmen dar.
Wirtschaft TV: Für welche Branchen ist das was?
Gulya: Anfang der 1980er-Jahre lernten vorwiegend Liebhaber der russischen Sprache, Philologen, russisch. Glasnost und Perestroika machten russisch auch für BWL- und VWL-Studenten, in der Hoffnung, ihre Karrierechancen zu steigern, interessant.
Wirtschaft TV: Welche Ereignisse hatten denn besonderen Einfluss?
Gulya: Das war wirklich spannend zu beobachten: Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer war ein starker Rückgang des Interesses an russisch zu erkennen. Dies wandelte sich jedoch mit der Zeit wieder ins Positive. Das Interesse wächst stetig, obwohl die Beziehungen beider Länder momentan angespannt sind.
Wirtschaft TV: Wo liegt Ihrer Meinung nach der Ursprung der „Wiederentdeckung“ der russischen Sprache?
Gulya: Früher war russisch die Sprache der Unterdrücker in Ost-Deutschland, der Gegner des freien Westens. Mittlerweile ist wieder großes Interesse zu beobachten. Der Wegbereiter dieser aktuellen Entwicklung ist der frühere Bundeskanzler Schröder, der im April 2005 mit dem russischen Präsidenten Putin in Hannover die „gemeinsame Erklärung über die deutsch-russische strategische Partnerschaft in Bildung, Forschung und Innovation“ unterzeichnet hat. Dies baut auf dem sogenannten „Präsidentenprogramm“ von Kohl und Jelzin aus dem Jahr 1998 auf.
Wirtschaft TV: Wo können denn qualifizierte Mitarbeiter einen Arbeitsplatz finden?
Gulya: Absolventen, die Russischkenntnisse nachweisen können, haben gute Chancen in der Wirtschaft aber auch dem diplomatischen Dienst.
Wirtschaft TV: Inwiefern stärkt die Ausbildung in russischer Sprache die bilateralen Beziehungen?
Gulya: Seit Gründung der Georg-August-Universität 1735 ist die Stadt Göttingen eng mit Russland, insbesondere mit St. Petersburg, verbunden. Auf dieser Basis hat die russische Sprachvermittlung und Landeskunde einen festen Platz in der Hochschulbildung gewonnen. Dies beeinflusst bis heute die bilateralen Beziehungen beider Länder indem das Interesse junger Leute an der Sprache und das Interesse an Russland, seiner Kultur, Kunst und Wirtschaft geweckt und durch die Lehre vertieft werden. Wir arbeiten mit russischen Partnern vor Ort zusammen, die es deutschen Studierenden ermöglichen, die im Rahmen des Sprachkurses erworbenen Kompetenzen in der Praxis zu testen und zu vertiefen. So ist es möglich, Einblicke in die Funktionsweisen verschiedener Institutionen in Russland zu erhalten.