Wenn sich Märkte rasant verändern und bewährte Strategien ins Leere laufen, reichen auch To-do-Listen nicht mehr aus – VUCA ist mittlerweile zu einem Synonym für eine volatile Welt geworden, die Unternehmer mehr und mehr als herausfordernd empfinden. Aber was, wenn der größte Gegenspieler des unternehmerischen Erfolgs das eigene Mindset ist? Anja Antropov, Mentorin und Business-Expertin, plädiert für eine neue Denkweise unter Führungskräften. Warum der Weg zu echter Wirksamkeit immer vom Innern ins Außen führt, hat sie uns im Interview erklärt.
Frau Antropov, auch im Jahr 2025 gibt es zahlreiche, wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Welche Faktoren sind jetzt für Unternehmer entscheidend?
Der entscheidendste Erfolgsfaktor bei den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen ist der Umgang mit VUCA. Die schnellen und sprunghaften Veränderungen (Volatility) führen dazu, dass es immer schwerer wird, zu planen, weil morgen schon alles ganz anders sein kann. Immer häufiger kommt es vor, dass Strategien, die bis gestern noch funktioniert haben, heute schon nicht mehr funktionieren. Daraus entsteht das Gefühl der Unsicherheit (Uncertainty), weil es schwieriger wird, Dinge vorherzusagen. Durch Informationsüberflutung und Digitalisierung nimmt die Komplexität (Complexity) für Unternehmer und Unternehmerinnen sehr zu.
Und dadurch entsteht ein unklares Bild über Zusammenhänge (Ambiguity). Was macht mich erfolgreich? Und was nicht? Was soll ich tun – und was weglassen? In so einem Umfeld, in dem nichts mehr sicher erscheint, werden Vertrauen, Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit immer wichtiger.
Vertrauen können wir schaffen, indem wir zum Beispiel transparent und offen gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Partnern kommunizieren, indem wir noch näher an der eigenen Zielgruppe dranbleiben und das eigene Angebot noch besser daran anpassen. Zudem sollten wir über Werte nicht nur sprechen, sondern uns tatsächlich daran messen lassen.
Mit Ihrem Unternehmen unterstützen Sie Unternehmer, den Stress der Selbstständigkeit in Wirksamkeit zu verwandeln. Wie gehen Sie dabei vor?
Stress ist eine kollektive Programmierung. Vor allem im beruflichen Kontext denken wir doch kollektiv, dass jemand, der viel Stress hat, auch besonders wichtig und erfolgreich sein muss. Und umgekehrt können wir uns gar nicht vorstellen, dass jemand, der entspannt ist und Zeit hat, besonders erfolgreich sein kann.
Wir verbinden also Stress mit beruflichem Erfolg, und Entspannung eher mit Freizeit.
Nur ist es faktisch leider umgekehrt. Menschen, die ständig im Stress sind, können nicht wirklich produktiv sein. Denn die Stresshormone im Körper verhindern, dass wir in einen Flow kommen, dass wir geniale Ideen entwickeln und dass wir »out of the box« denken. Genau das braucht es aber, wenn wir wirklich wirksam sein wollen.
Denn wirksam zu sein, bedeutet, seine Energie nicht an vielen unbedeutenden Stellen gleichermaßen zu verstreuen, sondern immer nach dem Punkt zu suchen, an dem die Kräfte am produktivsten eingesetzt sind. An dem also mit geringstem Aufwand das größtmögliche Ergebnis erzielt wird. Also, immer nach der Hebelwirkung Ausschau zu halten.
Wenn Sie gestresst zu mir kommen und wirksamer werden wollen, dann arbeiten wir von Innen nach Außen. Wir arbeiten zunächst über Meditation und das Kultivieren Ihrer Energie daran, Ihr Stressmuster aufzulösen. Denn wenn wir oft im Stress sind, dann speichert unser Körper diese Körperchemie als Normalzustand ab, den er dann immer wieder reproduziert. Und wenn Sie das nicht ändern, dann wird genau dieses Muster ihre Bemühungen, wirksamer zu werden, Sie immer wieder sabotieren. Wir können uns im Kopf noch so viel vornehmen, der Körper ist stärker. Deshalb müssen wir parallel immer mit dem Körper arbeiten. Wir lösen den Stress auf und kultivieren den Zustand von Entspannung und Flow.
Damit haben wir ein Fundament gelegt, auf dem die äußeren Strategien und Maßnahmen, die wir ergreifen, auch wirklich Früchte tragen können, weil sie von Ihrer normalen Körperchemie unterstützt und nicht sabotiert werden. Und dann schauen wir uns Ihr Geschäft an und finden die Punkte, an denen wir Hebel ansetzen können, um Sie mit dieser einen Maßnahme enorm nach vorne zu bringen.
Auch das Mindset spielt für das Unternehmertum eine entscheidende Rolle. Welche Denkweisen sind aus Ihrer Sicht essenziell, um im Business langfristig erfolgreich zu sein?
Denken Sie in Visionen statt in Umsatzzielen! Als Unternehmer brauchen wir Visionen und Ziele, die uns Kraft und Inspiration geben, und mit denen sich auch unsere Mitarbeiter und Kunden identifizieren. Umsatzziele sind für sowas eher nicht geeignet. Natürlich brauchen Sie einen bestimmten Umsatz. Aber der darf nicht das zentrale Ziel sein, sondern nur eine Konsequenz daraus. Das hat schon Simon Sinek in seinem Buch »Start with the why« beschrieben.
Die zentrale Frage hier ist: Welches Ziel / Welche Vision erfüllt uns mit Begeisterung?
Als Unternehmer sollten wir zudem in Hebelwirkungen und Wirksamkeit anstatt in To-Do-Listen denken. In der Praxis sind die meisten Unternehmer allerdings viel zu sehr in ihrem Tagesgeschäft beschäftigt. Sie verzetteln sich damit, bestehendes abzuarbeiten, anstatt ihre Energie auf Zukunftsgestaltung zu richten. Aber Sie sind viel wirksamer, wenn Sie AM Unternehmen arbeiten, anstatt sich IM Unternehmen auszupowern. Die zentrale Frage hier ist: Welche eine Sache bringt uns am schnellsten und nachhaltigsten nach vorne?
Ein weit verbreiteter Irrtum ist darüber hinaus die Annahme, mehr Maßnahmen würden mehr Ergebnis bringen. Aber es ist nicht die Quantität der Maßnahmen, die Sie voranbringt, sondern die Qualität. Denken Sie in Qualität, und nicht in Quantität! Anstatt also noch mehr zu machen, verbessern Sie zum Beispiel die Qualität ihrer Wertschöpfung (das sorgt für Kundenbindung), die Qualität ihrer Kommunikation (das bringt Ihnen die richtigen Kunden), die Qualität Ihrer Prozesse (das reduziert die internen Kosten). Wenn Sie in Qualität denken, kann Ihr Gewinn wachsen, und nicht nur Ihr Umsatz – weil Sie wirksamer werden, ohne dabei mehr Ressourcen zu verbrauchen.
Ein Business, das sich verbessert und verändert, muss zudem regelmäßig ausgemistet werden. Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, zu entscheiden, was Sie nicht mehr machen. Welche Kunden wollen Sie nicht mehr haben, welche Aufträge werden Sie in Zukunft nicht mehr annehmen, welche internen Prozesse sind nicht mehr nötig? Damit setzen Sie intern wieder Ressourcen frei, die Sie wirksamer einsetzen können.
Es ist darüber hinaus unmöglich, alles selbst machen oder wissen zu wollen. Das verlangsamt erheblich Ihr Wachstum. Fragen Sie sich nicht, wie Sie Dinge selbst machen können, sondern welche ausgewiesenen Experten Sie dabei unterstützen können.
Ein gesundes Business ist ein Win-Win. Es schöpft Wert für Ihre Zielgruppe und für Sie selbst. Oft verzetteln oder verlieren wir uns, weil wir irgendwelchen Umsatzzielen, Strategien und Trends hinterherjagen. Aber im Kern geht es immer um Wertschöpfung.
Wenn Sie in der Lage sind, stabil Wert zu schöpfen, der von Ihrer Zielgruppe verstanden und angenommen wird, dann haben Sie eine gute Basis, um langfristig erfolgreich zu sein.
Können Sie uns aus Ihrer beruflichen Erfahrung von einem inspirierenden Beispiel berichten, das zeigt, wie durch mutige Entscheidungen und strategische Weitsicht ein Quantensprung erreicht wurde?
Als meine Mandantin Sibylle zu mir kam, war sie eine exzellente Expertin, die ihr Geld mit 1:1-Coaching verdiente. Sibylle ist Therapeutin für Kinder mit Autismus-Diagnose und verfügt über einen ganz eigenen, sehr wirksamen Ansatz, mit diesen Kindern zu arbeiten, der allerdings eine erhöhte Einsatzbereitschaft der Eltern erfordert und deshalb für viele nicht geeignet ist. In der gemeinsamen Arbeit haben wir zunächst die Zielgruppe geklärt und die Kommunikation klarer ausgerichtet. Dadurch kamen nur noch Wunschkunden, die einen solchen Ansatz gesucht hatten und auch bereit waren, den Einsatz zu bringen und zu bezahlen.
Dann haben wir ein Angebot gestaltet, das keine Einzelstunden mehr beinhaltet, sondern eine Transformationsbegleitung über einen längeren Zeitraum. Durch die längere Begleitung wurden die Kundenergebnisse noch verbessert und für Sibylle erhöhte sich die finanzielle Sicherheit. Dann haben wir angefangen, ein Angebot für Familien zu gestalten, das auf Englisch ist und auch online funktioniert. Dadurch kamen Kunden aus aller Welt und Sibylle arbeitete immer mehr online.
An der Stelle war sie dann mit Wunschkunden ausgebucht. Für viele ein Traum – aber gleichzeitig eine Wachstumshürde. Damit sie weiterwachsen kann, haben wir dann begonnen, ihr umfassendes Wissen in Online Module zu packen, so dass Menschen jederzeit von ihr lernen können, ohne dass sie selbst immer dabei sein muss. Das sorgte für weitere Kundengewinnung, Kundenbindung und passive Einkommensströme.
Inzwischen macht sie fast alles online, hat Supervisionsgruppen mit Therapeuten und Mastermind-Gruppen mit Eltern.
Sie ist gefragte Expertin auf Konferenzen und bildet Therapeuten in ihrem Ansatz aus. Und sie hat mehrere Bücher geschrieben.
Sibylle hat jetzt einen ganz anderen Impact, eine andere Reichweite und eine andere Wirksamkeit als vorher mit ihrem 1:1-Angebot. Das ist ein Quantensprung. Weil Sie jetzt ein komplett anderes Geschäftsmodell hat als vorher, weil sie passive Einkommensströme hat, weil sie nur noch mit ausgewählten Familien im 1:1 arbeitet, meistens aber Therapeuten ausbildet. Durch ihr Onlineangebot und ihre Bücher erreicht sie mit ihrem Ansatz viele Menschen, die dieses Wissen dringend brauchen und suchen.
In Zeiten wirtschaftlicher Volatilität und zahlreicher Unwägbarkeiten, heißt es, schnell zu reagieren. Welche Vorbereitungen können Unternehmer treffen, um sich schon jetzt zukunftssicher aufzustellen?
Um schnell zu sein, müssen wir erstmal verstehen, was uns verlangsamt. Langsam sind wir dann, wenn wir Widerstand leisten gegen Veränderungen. Wenn wir Trends und Entwicklungen ignorieren. Oder an alten Gewohnheiten oder Strategien festhalten, obwohl wir merken, dass sie nicht mehr so wirksam sind.
Gleichzeitig geht es nicht darum, kopflos jedem Trend hinterherzujagen, sondern eher darum, Veränderungen zu begrüßen und für das eigene Wachstum zu nutzen. Das ist nicht immer leicht und erfordert Mut. Mut zur Veränderung und Mut, sich dabei im Kern selbst treu zu bleiben. Das geht nur, wenn wir Trends und Entwicklungen beobachten, uns damit auseinandersetzen und prüfen, wie wir die eigene Wertschöpfung anpassen können.
Das ist Innovation. Und dafür brauchen Sie Ressourcen. Sie müssen sich damit beschäftigen in einer Zeit, in der es Ihnen noch gut geht. Und nicht erst, wenn Sie Umsatzeinbußen haben. Die meisten tun das nicht. Die meisten stecken den Kopf in den Sand, denken, es wird schon nicht so schlimm werden und machen weiter wie bisher.
Und das ist Ihre Chance. Wenn Sie frühzeitig Veränderungen akzeptieren und für sich nutzen, dann gehören Sie zu den Gewinnern der aktuellen Entwicklungen.
Zukunftssicherheit in unsicheren Zeiten bedeutet auch, dass Sie an Ihrer Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit arbeiten, denn das wird immer wichtiger. Und natürlich: Wertschöpfung, Wertschöpfung, Wertschöpfung! Bleiben Sie noch näher an Ihrer Zielgruppe dran, versuchen Sie, deren Bedürfnisse noch tiefer zu verstehen und passen Sie das eigene Angebot noch besser daran an. Je instabiler die Zeiten sind, umso stabiler muss unser Fundament aus Wertschöpfung, Glaubwürdigkeit und Innovationskraft sein.
Unsere Gesprächspartnerin:
Anja Antropov ist Gründerin der Business Empowerment Academy. Nach ihrer Tätigkeit in Führungspositionen bei Unternehmen wie Siemens, bringt sie als Bestseller-Autorin und Business-Mentorin anderen das Unternehmertum der neuen Zeit näher.
Beitragsbilder: Constanze Wild
AS (L)