Corona, steigende Kosten und internationale Konflikte haben den Mittelstand in den letzten Jahren vor Herausforderungen gestellt. Wie es Unternehmern angesichts solcher unruhigen Zeiten dennoch gelingen kann, Kapital aufzubauen, weiß Lennard Paul Naumann, Geschäftsführer einer Unternehmensberatung. Wir haben mit dem Experten darüber gesprochen, warum eine Veränderung der Unternehmensstruktur zum Schlüssel für den unternehmerischen Erfolg werden kann.
Herr Naumann, viele Unternehmen in Deutschland fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit, überlegen sogar, ihren Unternehmensstandort ins Ausland zu verlagern. Was sind die konkreten Herausforderungen, vor denen der Mittelstand steht?
Die Herausforderungen bestehen jetzt mittlerweile schon seit fünf Jahren. Ich glaube, dass wir uns in Deutschland sehr daran gewöhnt haben. Wir denken mittlerweile in Phasen, in denen es gut läuft und dann kommt wieder die nächste Herausforderung. Die letzten Jahre waren dann wieder sehr herausfordernd. Wir hatten das Thema Corona, dann kamen die Kriege – und schließlich haben wir die Energiethemen gehabt. Ich denke also, die größte Herausforderung ist es, zu lernen, mit der aktuellen Situation umzugehen und sich daran zu gewöhnen, dass man sich immer schneller an diese anpassen muss. Das Thema Resilienz ist ebenfalls ein Stichwort: Wir haben Lieferschwierigkeiten, wir haben die Rohstoff-Thematik und die Kosten, die in die Höhe schießen. Die größte Herausforderung ist aber, die aktuelle Situation für sich zu adaptieren und das Beste daraus zu machen. Denn es werden immer wieder Herausforderungen auf uns zukommen und es wird immer weitergehen. Die Frage ist also viel mehr, ob ich als Unternehmer im Kopf bereit bin, mit den Themen umzugehen und wie offen ich Veränderungen gegenüber bin. Wie passe ich also mein Unternehmen und seine Strategie an? Wie nutze ich die Herausforderung?
Wie kann es Unternehmen gelingen, Kapital aufzubauen?
Wenn jemand eine GmbH gründet, dann hat er in Deutschland eine Gewinnerzielungsabsicht. Die Gewinne, die nicht zum Leben benötigt werden, können einfach steuerbegünstigt an die Holding GmbH transferiert werden. Das bedeutet in der GmbH, dass die Gewinne mit 30 Prozent besteuert werden. Der Unternehmer ist auf der einen Seite der Geschäftsführer und auf der anderen Seite der Gesellschafter. Häufig wird allerdings die Seite des Geschäftsführers in den Fokus gestellt, da diese als erstes über das Gehalt befriedigt wird. Dann wird am Ende des Jahres vergessen, dass ihm ja auch die Gewinne als natürliche Person, als Inhaber des Unternehmens, zustehen. Was mache ich mit den Gewinnen, wenn welche übrigbleiben? Transferier ich sie raus ins Privatvermögen? Denn es ist ja eine Steuerbelastung: Ich muss 25 Prozent Kapitalertragssteuer plus Solidaritätszuschlag zahlen – das sind also ungefähr 27 Prozent. Zu den 30 Prozent von der GmbH kommen also noch einmal 27 Prozent obendrauf.
Wenn ich das Geld in der Firma belasse, dann baue ich damit eine massive Haftung in dem Unternehmen auf, worüber sich die meisten gar nicht bewusst sind. Häufig wird eine GmbH gegründet und dann heißt es: »Ja, ich habe 25.000 Euro Stammkapital und das ist mein Haftungsvolumen.« Das stimmt auch im ersten Moment, aber wenn die Gewinne nicht an den Inhaber des Unternehmens raustransferiert werden, dann verbleiben die in der Firma und es bildet sich bildet sich ein sogenannter Gewinnvortrag. Dieser steht im Eigenkapital und die Firma haftet mit dem Eigenkapital. So ist es leider oft im Mittelstand, dass sehr viele Unternehmen über Jahre hinweg die Gewinne nicht raustransferiert haben, weil sie sich denken, dass sie das Geld nicht im Privatvermögen brauchen und deshalb besser in die Firma investieren. Das Problem ist aber, dass die 100.000 Euro, die vielleicht in die Firma und in Maschinen, etc. investiert werden, im ersten Jahr des Investments nicht zu 100 Prozent gewinnreduzierend sind, sondern nur partiell über mehrere Jahre abgeschrieben werden. Die Liquidität ist also sofort weg, aber die Haftung ist immer noch da. Die Holding kann in so einem Fall unterstützen, das operative Geschäft zu enthaften, weil ich die Möglichkeit habe, für 1,6 Prozent an die Muttergesellschaft Kapital zu transferieren – und eine Kapitalanlage mit 1,6 Prozent lässt sich ganz sicher finden. Wenn ich möchte, kann ich ja auch wieder in die Firma auch wieder reinvestieren. Wenn man das richtig nutzt, dann hat die Holding vielerlei Möglichkeiten. Ich beschreibe es gerne am Beispiel einer Legoplatte: Wenn Sie eine Legoplatte nehmen und dazu alle Steine in den verschiedenen Farben und das Know-how, dann können Sie auf dieser Platte bauen, was Sie wollen – egal, ob es dann ein Auto oder ein Dinosaurier ist. Sie können mit der Holding Kapital enthaften, sie können darüber aber auch Kapital aufbauen. Sie haben also einfach damit eine Möglichkeit, sich unter anderem krisensicher aufzustellen.
Welche rechtlichen Voraussetzungen braucht die Gründung einer Holding? Kann jedes Unternehmen zu einer Holding werden?
Theoretisch kann jedes Unternehmen zu einer Holding werden, egal, welche Gesellschaftsform. Sie können die Gesellschaftsform wechseln oder Sie können Einbringungen darstellen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sämtliche Strukturen in eine Holding umzuwandeln. Dabei unterstützen und begleiten wir tagtäglich. Es gibt ja auch die Möglichkeit, eine Holding UG zu gründen. Ich persönlich bin der Meinung, dass eine Holding UG weniger Sinn macht. Bei der UG haben wir einfach unterm Strich mehr Kosten für die Einrichtung, Aufstellung, den Notar, etc. Wenn man neu gründen will, dann kommt es darauf an, wo der Unternehmer steht und wo er hinwill. Was will er mit seiner Firma erreichen? Es gibt viele, die sagen: »Hey, ich gründe jetzt etwas und ich möchte das gerne in fünf Jahren verkaufen.« Es gibt aber auch welche, die sagen: »Ich gründe etwas, ich möchte das aber gerne an die Generationen nach mir übergeben.« Theoretisch hat also jeder die Möglichkeit, über eine Holding zu arbeiten.
Wie reagieren Unternehmen typischerweise, wenn ihnen die Gründung einer Holding vorgeschlagen wird? Gibt es dabei Vorbehalte?
Aktuell ist es eher so, dass die Leute sehr offen für dieses Thema sind. Die Unternehmer sind eher großen Herausforderungen ausgesetzt und müssen sich damit beschäftigen. Also: Wie kann ich mein Unternehmen zukunftssicher aufstellen? Wie kann ich damit bestmöglich arbeiten?
Natürlich gibt es auch immer wieder Vorurteile einer Holding-Struktur gegenüber – ich möchte die Holding auch gar nicht als Allheilmittel anpreisen. Es kommt auf die individuellen Ziele des Unternehmers an. Dafür muss man dann ein individuelles Konzept generieren und dann auf ihre Fragen eingehen. Die Unternehmer reagieren hierbei mit Dank, weil wir ganz im Detail mit Steuerberatungskanzleien und Rechtsanwaltskanzleien mit dem Unternehmer am Tisch diese individuellen Strukturen entwickeln. Wenn dann eine Holding dabei herauskommt, dann sind wir so tief drin, dass die Unternehmer offen und dankbar für die Beratung sind und den Weg freudig gehen.
Zu Beginn unseres Interviews sprachen wir ja bereits über die aktuellen Herausforderungen für Unternehmer in Deutschland. Welche Herausforderungen sehen Sie zukünftig auf uns zukommen?
Die Nachfolge ist auf jeden Fall ein Thema. Es gibt mittlerweile um die 190.000 Unternehmen, die irgendwann in den nächsten Jahren übergeben werden müssen. Das ist ein großer Punkt. Der Mittelstand steht massiven Herausforderungen gegenüber. Das Hauptproblem ist aber meiner Meinung nach, dass die Unternehmer sich vom Kopf her anpassen müssten – und das permanent. Sie müssten lernen, sich auf neue Gegebenheiten schneller einzustellen und anpassungsfähiger zu sein. Gerade alteingesessene Unternehmen beharren da sehr auf ihre alten Gewohnheiten. Es gibt zum Beispiel auch einige, die dem Thema Digitalisierung gegenüber nicht gerade aufgeschlossen sind.
Zum Ende möchte ich mich aber noch an alle Unternehmer in Deutschland wenden: Seid stolz und steht mit Stolz für das ein, was ihr leistet in diesem Land! Macht weiter damit! Seid stolz, einen Teil zu dem, was wir hier haben, beigetragen zu haben. Seid offen und beschäftigt euch mit euren Firmen, mit den Strukturen und mit dem Kapital, anstatt zu sagen: »Das haben wir die letzten Jahrzehnte so gemacht, da werden wir auch in Zukunft nichts dran ändern!«
Unser Gesprächspartner:
Lennard Paul Naumann ist Geschäftsführer der Valuniq Business Consulting und Senior Partner der Valuniq AG. Er unterstützt Unternehmer bei der Entwicklung maßgeschneiderter Strukturen.
AS