Nur wenige Experten hatten damit gerechnet, doch sie haben es getan: Die sogenannten Wirtschaftsweisen haben zur Finanzierung der Energiekrise einen befristeten Energie-Solidaritätszuschlag oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vorgeschlagen. Die Forderung des Sachverständigenrats hat teils starke Proteste ausgelöst und gilt als bemerkenswert. Denn, wie das »Handelsblatt« schreibt, hatte sich das führende deutsche Ökonomen-Beratungsgremium in der jüngeren Vergangenheit als Hüter einer liberalen Ordnungsökonomik verstanden, zusätzliche Steuerbelastungen abgelehnt und stattdessen auf Steuersenkungen gedrängt.
Die Wirtschaftsweisen verteidigen aber ihren umstrittenen Vorschlag. Die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, sagte in Berlin, die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung seien nicht zielgenau genug. Es würden auch diejenigen entlastet, die es nicht nötig hätten. Es werde deswegen zu viel Geld ins System gegeben. Der Staat müsse noch mehr Schulden aufnehmen und die Inflation werde weiter angeheizt.
Es gehe um ein Gesamtpaket aus Ent- und Belastungen, das wirklich solidarisch sei und damit zielgenau. Dies diene auch der Generationengerechtigkeit, so Schnitzer. Wörtlich sagte sie, »Unsere Kinder sollen nicht alles zahlen müssen.« Deutschland sei durch die vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise ärmer. Irgendjemand müsse das zahlen. Höhere Belastungen für Besserverdienende sollten so lange andauern, bis Entlastungsmaßnahmen wirkten. Das sei nach jetzigem Stand bis Anfang 2024 absehbar.
Der Vorschlag hatte scharfe Kritik vor allem bei Wirtschaftsverbänden ausgelöst. Auch der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo, Clemens Fuest, warnte in der »Rheinische Post«, wenn man mitten in einer Wirtschaftskrise Einkommensteuern erhöhen wolle, müsse man das sehr gut begründen. Ein einmal eingeführter Einkommensteuerzuschlag werde nicht so schnell wieder abgeschafft, wie das Beispiel des Solidaritätszuschlags zeige.