Auch wenn sich Kryptowährungen in jüngster Vergangenheit als weniger stabil gezeigt haben als angenommen, etablieren sie sich schrittweise auf den Märkten, unter anderem mit einer angepassten Gesetzgebung und einer wachsenden Blockchain-Struktur. Wohin die Reise geht, und wie man durch Tokenisierung auch mit Sachwerten digital handeln kann, erklärt Krypto-Experte David Glades in unserem Interview.
Die Tokenisierung von Vermögenswerten ist noch relativ neu und bietet dem Kapitalmarkt und Anlegern ganz neue Möglichkeiten. Was ist der Unterschied zwischen tokenisierten und klassischen Vermögenswerten?
Tokenisierte Vermögenswerte sind als digitale Repräsentation von realen und greifbaren Assets anzusehen. Dadurch erhalten Anleger die Möglichkeit, materielle sowie immaterielle Vermögenswerte in einen digitalen Token umzuwandeln, der auf einer Blockchain-Lösung basiert. Beginnend bei der Erstellung eines digitalen Tokens nehmen andere Marktteilnehmer diesen als eine Repräsentation des realen Vermögenswertes wahr. Dadurch eröffnen sich viele interessante Anlagemöglichkeiten für Anleger. Diese Möglichkeiten sowie die primären Unterschiede zwischen den traditionellen und tokenisierten Vermögenswerten lassen sich am besten an einem Beispiel zeigen. Da Immobilienobjekte zu beliebten und traditionellen Anlagemöglichkeiten gehören, sollte das folgende Beispiel für die Gegenüberstellung der beiden Arten von Vermögenswerten gut geeignet sein:
Angenommen, ich befinde mich im Besitz einer Immobilie im Wert von 500.000 Euro. Mithilfe der Tokenisierung könnte ich die Eigentumsrechte an dieser Immobilie in 500.000 Tokens konvertieren. Somit würde jeder Token nur einen geringen prozentualen Anteil am Eigentum dieser Immobilie ausmachen. Sollte ich Probleme mit meiner Liquidität haben und würde diese Immobilie den einzigen Vermögenswert darstellen, der mir übrigbleibt, wäre ich gezwungen, das Haus entweder zu verkaufen oder es zu vermieten. Mithilfe der Tokenisierung könnte ich jedoch zum Beispiel einen 30 Prozent-Anteil an der Immobilie digital veräußern, käme dadurch an eine beträchtliche Geldsumme und hätte weiterhin ein Dach über dem Kopf.
Im Allgemeinen verfügen tokenisierte Vermögenswerte über einen hohen Automatisierungsgrad und mehr Flexibilität sowie Liquidität für die Eigentümer der jeweiligen Vermögenswerte. Dadurch können Kosten reduziert und bürokratische Hürden umgangen werden, die in Verbindung mit dem Erwerb oder der Veräußerung von traditionellen Vermögenswerten gebracht werden.
Die Nachfrage nach digitalen Assets steigt. Gibt es schon genügend Blockchain-Unternehmen, die eine sichere Infrastruktur für den Token-Handel anbieten?
Es gibt eine Vielzahl an Blockchain-Unternehmen, die ihren Kunden die Möglichkeit des Token-Handels anbieten. Viele dieser Unternehmen stellen bereits ausgereifte Lösungen zur Verfügung. Diese Unternehmen verfügen über eine ausreichende Liquidität und werden in der Regel von großen Konzernen, Venture-Capital-Gesellschaften und Fonds finanziert. Dadurch werden ihnen die nötigen Mittel für die technologische Weiterentwicklung, aber auch die Gewährleistung der Sicherheitsanforderungen zur Verfügung gestellt. Lösungen, die von diesen Unternehmen kommen, sind in der Regel kleineren und weniger bekannten Unternehmen vorzuziehen. Darüber, ob es schon tatsächlich genügend Unternehmen gibt, könnte man streiten. Ich kann jedoch voller Überzeugung behaupten, dass eine sichere Infrastruktur für den Token-Handel bereits existiert und dass diese in der Zukunft nur sicherer und benutzerfreundlicher werden wird.
Tokens fallen genau wie alle anderen Blockchain-Technologien unter das noch junge elektronische Wertpapiergesetz (eWpG). Wie ausgereift ist dieses Gesetz und worauf müssen Anleger achten? Und was passiert bei einem Datenverlust?
Das elektronische Wertpapiergesetz ist bereits vor einem Jahr in Kraft getreten. Dieses stellte die Geburtsstunde der gesetzlichen Regulierung für Kryptowährungen in Deutschland dar. Dabei ist jedoch anzumerken, dass bisher keine ausgereiften Verordnungen zur Umsetzung des beschlossenen Gesetzes existieren. Eines der Ziele dieses Gesetzes war der komplette Verzicht auf die Papierform. Das ist in der Kryptowelt im Gegensatz zu den traditionellen Kapitalanlagen schon immer der Fall gewesen. Das primäre Ziel dieses Gesetzes besteht jedoch in der Gewährleistung von Sicherheitsanforderungen, so wie man es aus dem traditionellen Wertpapierhandelsgesetz kennen könnte.
Aktuell gibt es noch keine regulatorischen Vorgaben, die herkömmliche Privatanleger betreffen würden. Tatsächlich sollen diese von dem Gesetz sogar profitieren, indem die Gewährleistung des Gutglaubensschutzes beim Handel mit Kryptowährungen durch den Gesetzgeber beabsichtigt wurde. Das bedeutet, dass Handelsplattformen für Kryptowährungen zukünftig weniger anfällig für Manipulationen werden sollen, wodurch unerfahrene Anleger mit Sicherheit profitieren können. Das Prinzip einer Blockchain lässt keine Möglichkeiten für eine Datenmanipulation oder einen Datenverlust zu. Ein Datenverlust oder eine gravierende Datenmanipulation ist in der Theorie dennoch immer möglich. Vor allem durch die Tatsache, dass durch die gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Kryptowertpapierregisterführers ein zusätzlicher Akteur dem Handel mit Kryptowährungen beitritt. Obwohl dieser nur als Vermittler für die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen agiert, ist die Erweiterung des Teilnehmerkreises mit einer Zunahme an möglichen Sicherheitslücken verbunden. Dabei schreitet die technologische Entwicklung der Blockchain jedoch so rasant voran, dass das Eintreten eines solch negativen Szenarios in der Praxis meiner Meinung nach mit gutem Gewissen ausgeschlossen werden kann.
Der Token-Handel findet direkt zwischen dem Emittenten und dem Käufer statt, es braucht also keinen Vermittler. Was bedeutet das für den Markt?
Vor allem bedeutet das Schnelligkeit. Auch wenn der Großteil der traditionellen Banken bereits über Echtzeitüberweisungen verfügt, brechen die Transaktionszeiten beim Token-Handel alle Rekorde. Eine Reduzierung der Transaktionskosten ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Die Einbeziehung einer Bank als Vermittler bei traditionellen Überweisungen verursacht zusätzliche Kosten, vor allem wenn es darum geht, einen Geldbetrag an das andere Ende des Planeten zu versenden. Die beiden Eigenschaften allein stellen bereits eine gute Ausgangsbasis für eine stetige Entwicklung auf dem Markt dar. Die Effizienz, die mit dem Token-Handel verbunden wird, setzt Kapital und Zeit frei für Innovationen.
Das größte Bedenken, das mir beim Ausbleiben eines Vermittlers einfallen würde, ist der Sicherheitsaspekt. Obwohl Blockchain-Lösungen aufgrund ihrer Architektur von äußerst hohen Sicherheitsstandards gekennzeichnet sind, gibt es auf jeder Handelsplattform, unabhängig davon, ob Krypto oder traditionell, Raum für Manipulationen und Scams. Im Allgemeinen ist die Abwesenheit eines Vermittlers eher fördernd als hindernd für den Markt einzuschätzen.
Tokens werden in Kryptowährungen gehandelt, welche Rolle werden Banken künftig spielen?
Wenn man die Einführung des EWpG und die Ergänzung des Kreditwesengesetzes um die virtuellen Währungen in den letzten Jahren betrachtet, kann bereits eine weitere Zunahme an Bedeutung von Banken und Finanzdienstleistern in der Kryptowelt antizipiert werden. In der Zukunft ist eine Erweiterung der gesetzlichen Regulationen zu erwarten, bei der Banken eine bedeutsame Rolle spielen werden. Bereits heute integrieren viele große Banken Kryptowährungen in ihr Leistungsangebot. Auch wenn die Rolle einer Bank hier im finanziellen Sinne nicht unbedingt realistisch erscheint, wird die Ausübung der Rolle eines Vermittlers für Kryptowährungen durch Banken sehr wohl vorhanden sein. Diese Entwicklung hat bereits mit der Erlassung des neuen elektronischen Wertpapiergesetzes begonnen. Darin ist die gesetzliche Vorschrift für das Vorhandensein eines Kryptowertpapierregisterführers vorhanden. Diese Rolle soll durch Banken oder andere Finanzdienstleister übernommen werden und einer zusätzlichen Absicherung der Anleger dienen.
MK