Ein Gastbeitrag von Matthias Weik
Genau diese Frage stellen sich derzeit viele amerikanische Steuerzahler. Im Gegensatz zur europäischen Perspektive bewerten sie die aktuelle Situation in Europa grundlegend anders. Viele von ihnen sind der Meinung, dass das Land zuerst seine eigenen Probleme lösen sollte, bevor weiterhin amerikanische Steuergelder für die Probleme anderer Länder ausgegeben werden. Der Krieg in der Ukraine oder die Sicherheit Europas ist für viele Amerikaner aufgrund der großen räumlichen Distanz von geringem Interesse.
Die Frage, warum der amerikanische Steuerzahler für Europa zahlen sollte, wird in den USA heftig diskutiert. Im Gegensatz zur europäischen Perspektive gibt es in den USA eine Vielzahl von Meinungen darüber, inwieweit das Land Ressourcen und Steuergelder für die Herausforderungen Europas aufwenden sollte. Viele Amerikaner sehen die aktuelle Situation in Europa aus einer völlig anderen Perspektive. Denn für sie ist Europa weit weg und die Sicherheit des Landes ist keinesfalls gefährdet. Für sie sind die folgenden Probleme im eigenen Land deutlich wichtiger als die Probleme in Europa.
Illegale Migration, Opioidkrise, Kriminalität, hohe Lebenshaltungskosten, exorbitante private und Staatsverschuldung
Illegale Migration ist in den USA zu einem beherrschenden Thema geworden. Nach Angaben der Grenzschutzbehörde CBP wurden im Haushaltsjahr 2023 fast 2,5 Millionen Grenzübertrittsversuche an der Südgrenze der USA registriert. Allein im Dezember 2023 kamen rund 250.000 Menschen jenseits der offiziellen Übergänge über die Südgrenze in die USA. Darüber hinaus sind die Vereinigten Staaten mit einer schweren Opioidkrise konfrontiert. Insbesondere die alarmierende Verbreitung von Fentanyl stellt ein enormes Problem dar. Fentanyl ist etwa 100-mal stärker als Morphin und birgt das Risiko schwerwiegender gesundheitlicher Folgen bis hin zum Atemstillstand, selbst in kleinsten Dosen. Die Rohstoffe für Fentanyl werden billig in China hergestellt und gelangen vor allem über mexikanische Drogenkartelle in die USA, wo sie weiterverarbeitet und schließlich auf den Markt gebracht werden. Allein im letzten Jahr starben in den USA 90.000 Menschen an einer Überdosis. Mittlerweile ist Fentanyl auch in Deutschland auf dem Vormarsch, doch das ist ein anderes Thema.
Ein weiteres ungelöstes Problem ist die zunehmende Kriminalität, vor allem in den Städten. Dies führt zu wachsender Sorge um die öffentliche Sicherheit. Im Jahr 2023 gab es insgesamt 18.854 registrierte Todesfälle durch Schusswaffen und mehr als 600 Massenschießereien. Raubüberfälle und Plünderungen von Geschäften stellen ebenfalls ein Problem dar. Diese besorgniserregende Entwicklung zwingt die Ladenbesitzer zu drastischen Maßnahmen. Immer mehr Ladenbesitzer gehen dazu über, Waren des täglichen Bedarfs einzuschließen und Regale leer zu lassen, um sich vor weiteren Überfällen zu schützen. Darüber hinaus sind die hohen Lebenshaltungskosten und insbesondere die teilweise exorbitanten Mieten – in San Francisco kostet eine Einzimmerwohnung rund 2.780 Euro im Monat – für viele Amerikaner ein großes Problem.
Ferner sind viele US-Bürger sind bis unters Dach verschuldet. Nach Angaben der Federal Reserve Bank of New York stehen die Amerikaner mit insgesamt 17.503 Milliarden Dollar in der Kreide. Davon entfallen 12,252 Billionen US-Dollar auf Hypothekenschulden, 0,360 Billionen auf Immobilienkredite, 1,601 Billionen auf Studentendarlehen, 1,607 Billionen auf Autokredite, 1,129 Billionen auf Kreditkartenschulden und 0,554 Billionen US-Dollar auf sonstige Schulden (Stand Q4 2023). Zudem explodiert in den USA die Staatsverschuldung. Das Land lebt über seine Verhältnisse. Im Januar 2024 ist die Staatsverschuldung der USA im Vergleich zum Vormonat um rund 190 Milliarden US-Dollar gestiegen. Seit 2015 hat sich die Staatsverschuldung von 18,08 Billionen auf knapp 34,2 Billionen US-Dollar fast verdoppelt. Um die Kreditwürdigkeit des Landes zu erhalten, muss der nächste Präsident den US-Haushalt sanieren. Das heißt, es muss gespart werden. Warum soll ausgerechnet bei den eigenen Leuten gespart werden? Ein Präsident Trump wird dies mit großer Wahrscheinlichkeit nicht tun.
Die USA brauchen Europa nicht zum Überleben
Der Krieg in der Ukraine im fernen Europa ist vielen Amerikanern längst zu teuer geworden. Spätestens nach der gescheiterten Offensive in der Ukraine ist in den USA in Punkto Ukraine Ernüchterung eingekehrt. An einem weiteren Desaster wie in Afghanistan haben viele keinerlei Interesse.
Jedem sollte jedem bewusst sein, dass die USA weder die Nato noch Europa unbedingt brauchen. Nur 43 Prozent der Amerikaner besitzen einen Reisepass. Die Mehrheit der Bevölkerung war noch nie in Europa und ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung würde Europa nicht einmal auf der Landkarte finden. Warum glauben wir Europäer, dass der amerikanische Steuerzahler weiterhin bereit ist, zig Milliarden Euro für einen Krieg in Europa und für Sicherheitsgarantien für das zukünftige »industrielle Freiluftmuseum« Europa zu bezahlen, wenn das Land selbst gigantische Probleme hat?
Wir Europäer sollten uns darüber im Klaren sein, dass für die meisten Amerikaner Europa weit weg ist und daher die Probleme Europas für sie völlig irrelevant sind. Wenn US-Präsident Biden die Probleme im eigenen Land nicht in den Griff bekommt, wird Donald Trump die Wahl gewinnen. Für Trump und viele Republikaner lautet die Devise »America first«. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass unter Trump nicht mehr Rüstungsgüter in zweistelliger Milliardenhöhe über den Atlantik verschifft werden. Fakt ist: Die USA brauchen weder die Nato noch Europa unbedingt. Das Land kann sich im Ernstfall problemlos selbst verteidigen und ernähren. Günstiges Gas und Öl gibt es dank Fracking genug. In Europa ist die Situation eine ganz andere. Aber ob das die Mehrheit der Amerikaner tatsächlich interessiert, darf bezweifelt werden.
Der Autor: Matthias Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzen und ist Experte für Exitstrategien. Er zählt seit Jahren, mit sechs Bestsellern in Folge zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen. Im März 2023 ist sein sechster Bestseller »Die Abrechnung« erschienen. Matthias Weik bezeichnet sich selbst nicht als Pessimist, Optimist sondern als Realist.