Die Debatte um die Drahtzieher der Nord-Stream-Explosionen hält weiter an. Für Aufsehen sorgt besonders der detaillierte Bericht des preisgekrönten Investigativournalisten Seymour Hersh. Darin beschreibt er, dass die USA hinter den Anschlägen steckten und die Sprengungen im Rahmen einer geheimen CIA-Operation in Zusammenarbeit mit Norwegen durchgeführt worden wären. US-Tiefseetaucher hätten die Minen an die Gaspipelines montiert. Ende September 2022 hatten Explosionen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm vier Lecks in die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 gerissen, die von Russland nach Deutschland führen. Der »Berliner Zeitung« gegenüber erinnerte Hersh daran, dass US-Präsident Joe Biden gut zwei Wochen vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Rahmen einer Pressekonferenz im Weißen Haus mit Bundeskanzler Olaf Scholz gewarnt habe, dass die USA Nord Stream stoppen würden.
Biden sagte damals, wenn Russland einmarschiere, werde es kein Nord Stream 2 mehr geben, man werde dem Projekt ein Ende setzen. Auf Nachfrage einer Reporterin, wie er das genau zu tun gedenke, da das Projekt vor allem unter deutscher Kontrolle stehe, hatte Biden geantwortet, er verspreche, dass er in der Lage sei, es zu tun.
In einer Bundestagsdebatte forderten jetzt sowohl Abgeordnete der Linken als auch der AfD Aufklärung. Das ewige Schweigen der Bundesregierung sei der Nährboden für Gerüchte und Verschwörungstheorien, formulierte der AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen äußerte ähnliche Kritik.
Auch die ausweichenden Antworten der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann auf kritische Fragen von Journalisten in der Bundespressekonferenz hatten Spekulationen weiter angeheizt. Unter anderem hatte Hoffmann klare Antworten auf die Fragen verweigert, ob es die Bundesregierung mitteilen würde, wenn die USA hinter den Anschlägen stecken würden und ob die Bundesregierung überhaupt Auskunft darüber geben würde, unabhängig davon, wer hinter dem Anschlag stecke.
Seymour Hersh gilt als einer der einflussreichsten Investigativjournalisten der Welt. Wie die »Berliner Zeitung« schreibt, erhielt er 1970 den Pulitzer-Preis für die Aufdeckung der US-Kriegsverbrechen im Dorf My Lai in Vietnam und war maßgeblich an der Aufklärung des Watergate-Skandals für die New York Times beteiligt. Im Jahr 2004 berichtete er über die US-Folterpraktiken im irakischen Gefängnis Abu Ghraib, wofür er den renommierten Polk Award erhielt.
In seinem Bericht zu den Nord-Stream-Anschlägen beschreibt Hersh, dass er die detaillierten Informationen zum gesamten Ablauf der Aktion vor allem deshalb erhalten habe, weil einige leitende Mitarbeiter der Geheimdienste sich zuletzt gegen den Plan gestellt und die Sprengungen abgelehnt hätten.