Die Weiterbildung – aus dem Unternehmensalltag ist sie kaum mehr wegzudenken; dort wird sie als vorsorgliche Maßnahme und als Allheilmittel zugleich eingesetzt. Doch wie viel Weiterbildung ist tatsächlich nötig und wo kann sie sogar selbst zum Problem werden? Das haben wir Thorsten Schwack, den Gründer und Geschäftsführer des Hamburger Weiterbildungsinstituts STRATAVIS, gefragt. Im Interview gibt der Experte für Entwicklung und Umsetzung individueller Unternehmensstrategien Einblicke in einen oft überladen wirkenden Weiterbildungsmarkt.
Herr Schwack, viele Unternehmen bieten Ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, sich regelmäßig weiterzubilden. Inwiefern kann sich eine solche »Weiterbildung um der Weiterbildung willen« für das jeweilige Unternehmen überhaupt bezahlt machen – beziehungsweise: Wann wäre Ihrer Ansicht nach für das Unternehmen der richtige Zeitpunkt, um in Weiterbildung zu investieren?
Weiterbildung ist derzeit eines der wichtigsten Themen in Unternehmen. Die schnell wachsenden und umfangreichen Anforderungen der nahen Zukunft stellen jedes Unternehmen und jeden Mitarbeiter vor enorme Herausforderungen. Hier sehe ich Weiterbildung mehr als Chance in puncto Mitarbeiterbindung, Wettbewerbsvorteil und Entwicklungschancen als die Gefahr einer Fehlinvestition. Branchenunabhängig sind erfahrene Mitarbeiter, sogenannte Experten, für Unternehmen äußerst wertvoll und daher sollten alle Beteiligten in der Arbeitswelt sich zum Ziel setzen, an einer langfristigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Entwicklung einer Wert-zu-Wert-Beziehung zu arbeiten, deren Basis sicher auch die Idee des lebenslangen Lernens bildet. Mitarbeitern die Chance zu geben, sich entsprechend weiterzuentwickeln, ist jederzeit eine sinnvolle Investition und kann erheblich dazu beitragen, dass dieses Ziel auch erreicht wird.
Darüber hinaus sollte es auch für sehr gut qualifizierte Mitarbeiter die Möglichkeit der Weiterentwicklung geben. Auch Hochleistungssportler, die ein Level der Exzellenz erreicht haben, begeben sich in regelmäßige Trainingseinheiten, weil sie den Anspruch haben, sich stets zu optimieren. Top-Verkäufer zum Beispiel nutzen ebenso die Methode des Trainings, um ihre Fähigkeiten, auch hinsichtlich aktueller Marktbedingungen, fortwährend zu verbessern. Wir wissen, dass Profiverkäufer inspiriert werden wollen, um ihre vielfach erprobten Routinen und ihre gesamte Performance auf ein neues Leistungsniveau zu bringen.
Von motivierenden Speakern bis hin zu »Training on the Job« – der Weiterbildungsmarkt ist weit gefächert: Wie lässt sich im Dickicht der Weiterbildungsmöglichkeiten die richtige Wahl für das jeweilige Unternehmen treffen – gibt es Kriterien, anhand derer die passende Maßnahme oder das richtige Team ausgewählt werden kann?
Die schiere Menge an Beratern, Coaches und Weiterbildungsinstituten hat längst einen Highscore erreicht. Die Welle von »Jeder-kann-alles«-Konzepten mit Seminaren, Trainings und branchenspezifischen Anforderungstools, die hübsch aufbereitet als Allzweckwaffe für sämtliche Unternehmensbereiche konzipiert angeboten werden, hat ebenso fast jeden Entscheider in Unternehmen überrollt. Es bleibt jedoch nach wie vor die verantwortungsvolle Aufgabe von Entscheidern in Unternehmen, in puncto Weiterbildung eine passende Lösung für die jeweilige Aufgabenstellung zu finden.
Dieser Prozess gestaltet sich meist recht sicherheitsbewusst, indem ein Abgleich von Seminarinhalten innerhalb eines festgelegten Budgets und das Überprüfen von Kriterien eines Seminarkataloges vorgenommen wird. Das Identifizieren von kompetenten Anbietern und zielführenden Inhalten bleibt jedoch nach wie vor die größte Herausforderung. Viel zu häufig bleibt die Erwartung, einen Partner zu finden, der zum Erfolg führt und bei der Entwicklung und Umsetzung individueller Unternehmensstrategien erstklassig begleitet und erfolgreicher werden lässt, unerfüllt.
Grundsätzlich gibt es bei der Auswahl des Weiterbildungspartners einige Kriterien, die es zu beachten gilt. Die Beratungen und Weiterbildungen sollten ausgesprochen praxisbezogen, lösungs- und ergebnisorientiert durchgeführt werden und sich an der Kompetenzentwicklung der Teilnehmer orientieren. Hierbei sollte stets das zu erreichende Ziel und die Unternehmenswelt des Auftraggebers im Fokus stehen, um sinnvolle, nachhaltige Ergebnisse und Lösungen erzielen zu können. Aus meiner Sicht ist es äußerst wichtig, dass alle Beratungs- und Trainingsleistungen ausschließlich von praxiserfahrenen Beratern und Trainern angeboten werden, denn nur »Branchenkenner« sind in der Lage, die jeweiligen Kundenbedürfnisse zu analysieren und in wertschöpfende Lösungen umzuwandeln.
Zu den Grundfähigkeiten eines Trainers zählen aus meiner Sicht mindestens: Ein hohes Interesse an Unternehmenszielen und der Unternehmenskultur; branchenspezifische und -übergreifende Kenntnisse; methodische Flexibilität, auf die Herausforderungen des Lernprozesses angepasst; eine exzellente Kommunikationsfähigkeit; ein inspirierendes Mindset; individuelle und zielführende Lernimpulse; eine hohe Sozialkompetenz sowie das Einbringen beispielhafter Lösungen, die in sich schlüssig sind und in das jeweilige Tagesgeschäft passen.
Ein guter Trainer führt ergebnisorientierte Verkaufstrainings durch, die Resonanz erzeugen, weil sie Teilnehmende erreichen. Er wendet Methoden an, die zur Aktivierung der Teilnehmenden beitragen und den Wissenstransfer in den Verkaufsalltag ermöglichen – also Wissen und Können verknüpfen. Die Trainingsinhalte sollten praxisnah, kreativ und unterhaltsam vermittelt werden. Außerdem sollte er Pilotveranstaltungen anbieten, um die weitere Zusammenarbeit auf den Prüfstand zu stellen, und die Umsetzungsbegleitung bis zur Zielerreichung als ergänzenden Baustein zu Methodenkompetenz und Branchenkompetenz verstehen.
In einem früheren Gespräch mit »wirtschaft tv« sagten Sie, Sie seien kein »Freund von Standardseminaren«. Was verstehen Sie unter einem »Standardseminar« und wodurch möchten Sie Ihre Seminare von Standardseminaren abgrenzen?
Die meisten Angebote von Weiterbildungsträgern, zum Beispiel im Bereich der Verkaufstrainings, sind Standardseminare und keine Kompetenztrainings. Sie basieren immer noch auf der Idee, dass Kompetenzen wie Wissen vermittelt werden können. Eine Annahme, die zu Verkaufstrainings dieser Art führen, ist die Vorstellung, dass Verkaufsprozesse Früchte tragen, wenn sie bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgen und nach festgelegten Regeln eines Überzeugungsprozesses ablaufen. Selbstverständlich hat das kleine Einmaleins des Verkaufens nicht völlig ausgedient. Die permanente Veränderung des Marktgeschehens zwingt jedoch Unternehmen neue Sichtweisen auf und davon sind Verkaufsprozesse und daraus resultierend das moderne Anforderungsprofil eines Verkäufers nicht losgelöst. Folglich müssen Verkaufstrainings, möchten sie sich von Standardtrainings unterscheiden, ebenso spezifisch sein und Verkäufer stärker denn je befähigen, den Verkauf als Gestaltungsprozess zu erkennen und das eigene Mindset darauf auszurichten, in der Zukunft liegende Anforderungen kreativ und selbstgesteuert zu bewältigen. Hier setzen wir sehr häufig unsere sehr effiziente Methode des »Training on the Job« ein. Die zielgerichtete Unterstützung in Form eines Coachings direkt am Arbeitsplatz, im Arbeitsalltag oder Tagesgeschäft wird von einem Coach angeleitet und begleitet, so dass Arbeitsprozesse äußerst transparent und nachvollziehbar von der anzuleitenden Person erkannt und Optimierungen infolgedessen erfolgreich umgesetzt werden können.
Standardseminare sind Informationsveranstaltungen auf hohem theoretischen Niveau, bleiben jedoch meist oberflächlich. Sie sind gut, um Wissenslücken zu schließen und Impulse zur Selbtreflexion zu geben. Infolgedessen sind Trainingskonzepte meist unspezifisch und erfassen den tatsächlichen Bedarf nicht, weil sie standardisiert im Vorfeld erstellt wurden. Wenn Trainings ein hohes Maß an Veränderungspotential ausschöpfen sollen, dann müssen sie erst dann konzipiert werden, wenn der Auftraggeber seine
Erwartungshaltung, Vision und Zielsetzung kommuniziert hat. Erst dann ist es möglich, zielgerichtet die vorhandenen Unternehmensstrukturen zu analysieren, daraus notwendige Veränderungsparameter festzulegen und entsprechende Skills für Verkäufer und Vertriebler zu definieren.Die meisten standardisierten Konzepte funktionieren deshalb nicht, weil sie den aktuellen Anforderungen nicht entsprechen, den neuen Typus Verkäufer nicht präzise erfassen und damit die Chance auf Kompetenzentwicklung der Teilnehmer verpassen.
Was Verkäufer am Ende können sollen, welche persönlichen Veränderungsparameter dazu notwendig sind und wie der Weg dorthin aussehen kann, bleibt in diesen Konzepten und damit folglich auch in den Verkaufstrainings unberücksichtigt. Hierbei kommt es vor allen Dingen auf einen hohen Praxisbezug an, der es unseren Teilnehmern erleichtert, neue Denk- und Handlungsmuster zu entwickeln, um diese dann auch im Tagesgeschäft erfolgreich anwenden zu können. Dies erfordert nicht selten eine mehrstufige Begleitung, regelmäßige Trainingseinheiten und im besten Fall auch gezielte »Training on the Job«-Maßnahmen. So können zielgerichtet und ergebnisorientiert Veränderungen herbeigeführt werden und Ziele entsprechend auch erreicht werden.
Wie würden Sie den methodischen Ansatz Ihres Instituts beschreiben?
Wir bündeln unsere Kompetenzen in den Bereichen Fort- und Weiterbildung für Personal, Vertrieb und Führungskräfte. Wir stehen für Weiterentwicklung. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen unsere praxiserfahrenen Trainer alle methodischen Tools, die für diese Entwicklung und den Lernerfolg zielführend sind. Unsere individuell entwickelten Seminare, Trainings und Workshops sind sowohl analytisch als auch kreativ und dienen als Instrument zur erfolgreichen Umsetzung der mit unseren Mandanten erarbeiteten und definierten Ziele. Wir setzen uns hierfür vorab mit den unternehmerischen und persönlichen Herausforderungen der Mandanten auseinander und entwickeln anhand der Ergebnisse konkrete Maßnahmen, die sofort anwendbar sind und im Tagesgeschäft der Teilnehmenden erfolgreich umgesetzt werden können – der Erfolg unserer Kunden steht für uns stets an erster Stelle.
Wir wissen, dass Standardtrainings selten effektive Handlungsoptionen oder -anleitungen liefern können und arbeiten deswegen konsequent anders, weil wir mandantenspezifisch, lösungs- und ergebnisorientiert ausgerichtet sind. Wir provozieren im Ergebnis einen hohen Ausschöpfungsgrad an Wertschöpfung für die Unternehmen unserer Kunden. Wir setzen das Ziel unseres Auftraggebers an den Anfang unserer Zusammenarbeit, weil wir subjektiv und objektiv verstehen, dass ein Wunschergebnis des Mandanten unsere Strategie bestimmt.
In welchem Bereich wird es in nächster Zukunft hauptsächlich Weiterbildungsbedarf geben? Wie würden Sie hier vorgehen, damit die entsprechenden Unternehmen sich den Herausforderungen fachkundig stellen können?
Fakt ist, dass sozioökonomische Trends wie zum Beispiel der demographische Wandel aber auch die Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten neue Herausforderungen für Unternehmen darstellen. Ohne den Einsatz digitaler Technologien kann diesen Herausforderungen nicht erfolgreich begegnet werden. Der Effekt ist jetzt schon deutlich spürbar und muss branchenübergreifend in die Optimierungsprozesse moderner Unternehmen – und falls noch nicht geschehen, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit – Einzug halten.
Im Zuge der weiteren Digitalisierung wird auch die Form von Weiterbildung eine Neuorientierung erleben. Die Kombination aus analogem und digitalem Lernen, sogenanntes »Blended Learning«, wird auch im Weiterbildungsbereich weiter Fuß fassen. Dementsprechend sollten Unternehmen ihre Innovationspflicht erkennen und entsprechende Weichen für Digitalisierungsprozesse stellen. Ein immer größer werdender Anteil an digitaler Technik in Arbeitsprozessen hat zukünftig eine große Auswirkung auf notwendige Qualifikationen und damit erheblichen Einfluss auf die Personalbeschaffung. Weiterbildungsmaßnahmen in puncto IT-Kompetenzen können hier Abhilfe schaffen.
Auch in Anbetracht der Wichtigkeit eben erwähnter Anpassungsprozesse gilt es aus meiner Sicht festzuhalten, dass Lernen nicht gleichbedeutend mit Wissen ist und nur weil Wissen vorhanden ist, dies nicht gleichzeitig das Verstehen miteinschließt und sicher auch nicht bedeutet, dass vorhandenes Wissen erfolgreich angewendet werden kann. Von daher ist es nach wie vor branchenübergreifend wichtig, Mitarbeitern die Chance zu geben, Gelerntes in persönlicher Kommunikation zu reflektieren und mit fachlicher Unterstützung in die Anwendung zu bringen.
AS