Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, hält die wirtschaftlichen Lasten aus der Bekämpfung des Coronavirus für unfair verteilt. Während die gesamte Gesellschaft vom Eindämmen des Virus profitiere, trügen die Corona-Lasten der Virus-Bekämpfung vor allem jene Unternehmen, die in einer von den Gesundheitsauflagen besonders betroffenen Branche tätig sind. Sie starten überschuldet in die Zeit nach der Krise, was die Erholung hemmt. Deshalb müsse für die Wirtschaftspolitik neben der Schadensbegrenzung der faire Ausgleich der Lasten zum Maßstab werden.
„Es ist unfair, wenn die Lasten der Seuchenbekämpfung vor allem jene tragen, die in einer besonders durch Auflagen betroffenen Branche tätig sind wie etwa dem Tourismus oder der Gastronomie. Gleichzeitig kommen die Erfolge der Pandemiebekämpfung auch jenen zugute, die von den Auflagen nicht betroffen sind und ihr Geschäft normal weiter betreiben können. Wenn es nicht zu einem Lastenausgleich kommt, wird das Eigenkapital vieler Unternehmen stark angegriffen, was sich als schwere Hypothek für einen Aufschwung nach der Krise herausstellen könnte“, warnte Felbermayr.
Zwar könnten die besonders betroffenen Unternehmen bei ausbleibendem Umsatz auch von Kreditprogrammen, Zuschüssen und Kurzarbeiterregelungen profitieren. Aber damit steigt meist auch ihre Verschuldung. Gleichzeitig arbeiteten sie unter einem für sie nicht beherrschbaren Risiko weiter, da ihr Geschäft auf noch nicht absehbare Zeit von den Behörden untersagt oder eingeschränkt ist, sagte Felbermayr.
„Wenn die Unternehmen jetzt wüssten, dass sie am Ende nicht alleine auf den Lasten sitzen bleiben, könnten sie zuversichtlicher und mit größerer Sicherheit für die Zukunft planen. Nur dann werden auch die bereits beschlossenen Liquiditätshilfen ihre volle Wirkung entfalten können“, sagte Felbermayr. In einem gemeinsamen Kiel Policy Brief schlagen deshalb Felbermayr und IfW-Kiel-Konjunkturchef Stefan Kooths vor, dass frühzeitig ein Lastenausgleich angekündigt wird. Konkret könnte der Staat zusagen, die in der jeweiligen Branche durchschnittlich entstehenden Einkommensausfälle (Betriebsüberschuss bzw. Selbständigeneinkommen) im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 zu einem noch festzulegenden Anteil auszugleichen. Bereits erhaltene Corona-Hilfen werden dabei angerechnet. Indem der Branchendurchschnitt zur Orientierung herangezogen wird, bleibt der Anreiz erhalten, besser als die Branche zu wirtschaften. „Staatlich alimentierte Corona-Ferien darf es nicht geben“, sagte Felbermayr.
Zudem sollte die öffentliche Hand bei allen Krediten nur anteilig bürgen, damit die privaten Kreditgeber (meist Banken) weiterhin einen Anreiz für ernsthafte Bonitätsprüfungen haben. Dank eines angekündigten Lastenausgleichs würden dann aber nicht ganze Branchen durch die Bonitätsprüfung fallen, sondern nur Unternehmen, die auch sonst wenige Chancen auf Weiterbestehen hätten.
Die für die zusätzlichen Zahlungen des Staates notwendigen Schulden müssten in den Folgejahren durch die Steuerzahler entsprechend den im Steuerrecht etablierten Kriterien abgetragen werden. „Dann werden die Lasten in erster Linie nach Leistungsfähigkeit verteilt und nicht nach zufälliger und unverschuldeter Betroffenheit“, sagte Felbermayr.
Mehr zum Lastenausgleich und wirtschaftspolitischen Entscheidungskriterien lesen Sie im Kiel Policy Brief „Stabilitätspolitik in der Corona-Krise“.
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