von IVD-Präsident Jürgen Michael Schick
Der Wohnungsbau in Deutschland ist zu langsam und mit zu vielen Hürden gespickt. Wenn Projektentwickler jahrelang auf Genehmigungen warten und sich Dachgeschossausbauten beispielsweise wegen der Brandschutzvorschriften nicht rentieren, kann der Wohnraummangel nicht behoben werden. Das muss sich ändern – doch die Bundesregierung ist dabei auf die Mithilfe der Länder angewiesen.
Ein mir bekannter Projektentwickler hat kürzlich ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert: Einer seiner Bauanträge wurde zehn Jahre alt. Seit einem Jahrzehnt wartet er auf die behördliche Genehmigung für sein Wohnbauprojekt. Am Jubiläumstag hat er einen Kuchen aufs Amt gebracht, dort wurde ihm dann zumindest ein Kaffee dazu gereicht. So ein bisschen Galgenhumor ist manchmal nötig, um nicht vollends zu verzweifeln. Ein lachendes Auge verwandelt sich aber ganz schnell in ein weinendes, wenn man bedenkt, dass in Deutschland akuter Wohnraummangel herrscht – und es den Wohnungsbauern dennoch so schwer gemacht wird.
Die regierende Große Koalition hat das zumindest erkannt und sich vorgenommen, den Wohnungsbau zu beschleunigen und zu vereinfachen. Wenn bis Ende 2021 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden sollen, wird das auch nötig sein. Schließlich wurden 2017 gerade einmal 285.000 Wohnungen errichtet, das ist weit entfernt von der jährlichen Zielmarke von 375.000 Wohnungen. Über einen konkreten Instrumentenkasten, wie eine Baubeschleunigung realisiert werden soll, verfügt die Große Koalition freilich noch nicht.
Doch die Möglichkeiten sind zahlreich und vielfältig. Zuerst gilt es, das Bauordnungsrecht zu vereinheitlichen. Die Musterbauordnung in ihrer jetzigen Form hat sich nicht bewährt, noch immer weichen die einzelnen Bundesländer mehr oder weniger deutlich davon ab. Es führt zu einer unnötigen bürokratischen Kleinstaaterei, die Wohnungsbauer viel Zeit, Geld und Rechtssicherheit kostet. Ein Bundesrahmengesetz für das Bauordnungsrecht ist daher nötig, wenn auch durchaus schwierig umsetzbar. Denn die Bundesländer wollen ihre jeweiligen baurechtlichen Eigenheiten ungern aufgeben. Aber sollte die Wohnungsnot nicht Ansporn genug sein, dass Einzelne ihre Eitelkeiten zurückstecken?
Einen möglichen Ansporn gäbe es auch in Baugenehmigungsverfahren, er heißt: Genehmigungsfiktion. Wird über eine Baugenehmigung nicht innerhalb einer bestimmten Frist entschieden, gilt sie automatisch als erteilt. Das deutsche Baurecht kennt die Genehmigungsfiktion bereits, beispielsweise im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Über eine erweiterte Anwendung sollte auf jeden Fall nachgedacht werden.
Es gilt schließlich, die Ämter zu entlasten. Der vielzitierte Personalmangel bei den Genehmigungsbehörden ist zwar tatsächlich vorhanden, rührt jedoch auch daher, dass die Verfahren immer komplexer werden. Personalaufbau allein, so nötig er wäre, reicht deshalb nicht aus, wenn es nicht zugleich Bemühungen zur Entbürokratisierung gibt.
Auch eine Verschlankung der Baunormen ist dringend angeraten. Ich denke hier zum Beispiel an der Deutschen liebstes Kind, den Brandschutz. In Deutschland gibt es einer Studie der TU Darmstadt zufolge Potenzial für bundesweit mehr als eine Million zusätzliche Wohnungen allein durch Dachgeschossausbau. Das muss man sich mal vorstellen, ganz ohne die Verwendung neuen Baulands könnte der Wohnraummangel praktisch behoben werden, wenn der Bestand nur besser genutzt würde. Die Brandschutzvorschriften aber haben Dimensionen erreicht, die den Neubau und die Nachverdichtung vor enorme Probleme stellen. Kein Wunder, dass günstiges Bauen kaum mehr möglich ist.
Ich habe es schon einmal kurz anklingen lassen: Viele der hier angesprochenen Vorschläge kann die Bundesregierung allein gar nicht durchsetzen, weil im Bauordnungsrecht nichts ohne die Zustimmung der Länder geht. Das macht deutlich, dass die aktuelle Wohnungssituation in Deutschland eine nationale Aufgabe ist. Bund, Länder, Kommunen und die Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen. Deshalb ist es so wichtig, dass im Herbst der Wohngipfel stattfindet, wo alle relevanten Akteure gemeinsam über Strategien und Maßnahmen beraten werden. Es gibt nicht die eine Lösung, die alle Probleme auf dem Wohnungsmarkt behebt. Nur ein umfassendes Paket an Einzelmaßnahmen kann die nötige Dynamik entwickeln. Vorschläge gibt es genug, sie müssen bloß umgesetzt werden.
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