Wer heutzutage seine eigenen vier Wände haben möchte, muss lange im Voraus anfangen zu planen. Zu viele Käufer verlassen sich dabei auf das erstbeste Finanzierungsangebot und schätzen ihre eigenen Finanzen nicht richtig ein. Berater wie Tobias Epple versuchen dann dabei zu helfen, den Traum vom Eigenheim trotzdem wahr werden zu lassen. Im Interview erklärt er, wie die Digitalisierung die Baufinanzierung bisher schon verändert hat und wie demzufolge der Immobilienvertrieb der Zukunft aussehen könnte.
Herr Epple, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage am Baufinanzierungsmarkt?
Mit Blick auf die Zahlen und unterschiedlichste Studien verschiedenster Marktteilnehmer hat sich der Baufinanzierungsmarkt im ersten Quartal mit einem positiven Trend entwickelt. So bildet zum Bespiel der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI), der von JLL und dem HWWI herausgegeben wird, eine positive Entwicklung mit Blick auf die vergangenen sechs Monate. Auch mit Blick auf die nächsten sechs Monate bildet er eine positivere Erwartungshaltung der Experten ab als im letzten Quartal 2023 angenommen. Der Saldo für den Bereich Wohnen erreichte erstmals seit dem ersten Quartal 2022 eine positive Gesamtbewertung der Experten.
Mit hoher Sicherheit drückt den Endkunden beim Erwerb von Finanzierungen noch die Erschwinglichkeit: Der Erschwinglichkeitsindex, der Deutsche Bank Research, weißt für das letzte Quartal 2023 noch eine Seitwerts-Bewegung auf und lag mit 94 Punkten niedriger als im Boomjahr 2009. Mit Blick auf die erwarteten Zinsreaktionen der EZB ist ein Steigen der Erschwinglichkeit zu erwarten und damit auch eine höhere Nachfrage nach der Baufinanzierung.
Der Einbruch der fertiggestellten Immobilien im Jahr 2023 auf 214.500 und im Jahr 2024 auf 211.900 Immobilien im Bundesgebiet hält den gesamten Immobilienmarkt und damit auch die Baufinanzierung weiter unter Druck. Neben der Zinsbelastung ist die Fertigstellung von Immobilien und die anhaltende Wohnungsnot weiterhin ein anspruchsvoller, wenn nicht gar DER anspruchsvollste Faktor für die Baufinanzierung im Jahr 2024 sowie diesem Jahrzehnt.
Das waren jetzt viele Statistiken und Quellhinweise in meiner Antwort, dessen bin ich mir bewusst – sie sollen verdeutlichen, dass trotz Rezession in Deutschland und (leider) ausbleibender Reformschritte der Politik der Markt für Baufinanzierungen nach einem herausfordernden vergangenen Jahr, im Jahr 2024 wieder auf dem Weg zurück zu alter Stärke sein könnte.
Ich bin nicht ganz so plakativ wie Deutschlands größte Tageszeitung mit »Jetzt ist der beste Zeitpunkt Immobilie zu kaufen« – es ist aber zumindest kein schlechter Spruch. Im Gegenteil: Nach den vorhandenen Preiskorrekturen im Wohn- und Immobilienmarkt kann mit einer geschickten und klugen Baufinanzierung der Traum »der eigenen Immobilie« auch im Jahr 2024 – mit Blick auf die Gesamtkosten – durchaus wahr werden.
Die Neuausgestaltung der AfA im Rahmen des Wachstumschancengesetz bietet dem Kapitalanleger ebenfalls gute Möglichkeiten, im aktuellen Umfeld seine Renditeerwartungen zu erreichen beziehungsweise leicht zu übertreffen.
Welche Fehler machen viele Menschen, wenn sie sich ein Eigenheim kaufen und finanzieren wollen?
Aus meiner eigenen Erfahrung als Führungskraft im Finanzvertrieb mit der Verantwortung von über einer halben Milliarde privaten Baufinanzierungs- und Kreditgeschäften in den letzten Jahren habe ich fünf Punkte ausgearbeitet, die jeder, der heute ein Eigenheim kauft, neben der Objektauswahl berücksichtigen sollte:
- Unzureichende Finanzplanung: Viele Käufer gehen ohne einen genauen Finanzplan vor und unterschätzen die gesamten Kosten, die beim Immobilienkauf anfallen. Dazu gehören die Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Notargebühren, Grundbuchkosten und Maklerprovision, aber auch laufende Kosten wie Instandhaltung, Versicherungen oder Wohneigentums-Verwaltungsgebühren. Es ist wichtig, all diese Kosten in die Planung miteinzubeziehen und eine solide Finanzreserve zu haben für unerwartete Ausgaben.
- Zu hohe finanzielle Belastung: Ein häufiger Fehler ist es, die eigene finanzielle Tragfähigkeit zu überschätzen. Die monatliche Belastung durch die Rückzahlung des Darlehens sollte realistisch kalkuliert werden, sodass auch in Krisenzeiten (z.B. bei Jobverlust oder Krankheit) die Ratenzahlungen leistbar bleiben. Eine Faustregel besagt, dass die Rate nicht höher als ca. 30-40 Prozent des Nettoeinkommens sein sollte.
- Feste Zinsbindung zu kurz wählen: In Zeiten niedriger Zinsen kann die Wahl einer zu kurzen Zinsbindungsfrist riskant sein, weil nach Ablauf der Frist die Zinsen stark steigen können und die Anschlussfinanzierung dann deutlich teurer wird. Eine längere Zinsbindung bietet mehr Sicherheit, kann allerdings auch teurer sein.
- Kein Vergleich von Finanzierungsangeboten: Viele Käufer nehmen das erstbeste Finanzierungsangebot an, ohne Angebote verschiedener Banken und Kreditgeber zu vergleichen. Dabei können Konditionen und Zinsen variieren und durch einen umfassenden Vergleich lässt sich oft eine erhebliche Summe sparen.
- Vernachlässigung der Flexibilität: Es ist wichtig, dass der Kreditvertrag auch Flexibilität bei der Rückzahlung erlaubt. Dazu gehören Sondertilgungsmöglichkeiten, ohne dass hohe Vorfälligkeitsentschädigungen fällig werden. So kann der Kredit schneller zurückgezahlt werden, wenn unvorhergesehen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Ergänzend ist es ratsam, vor dem Immobilienkauf die eigene Bonität zu prüfen und sicherzustellen, dass keine negativen Schufa-Einträge vorliegen, die die Kreditkonditionen verschlechtern könnten.
Das hört sich jetzt dramatischer an, als es ist – dessen bin ich mir bewusst. Auch bei der Neuanmietung einer Wohnimmobilie gilt es, die oben genannten Punkte zu berücksichtigen. Sie sind nur im Normalfall schneller und einfacher korrigiert.
Sie beraten vor allem Unternehmen zu den Themen Führung und Vertrieb. Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie in der Beratung für Unternehmen und der für die Baufinanzierung?
Meinen Ursprung habe ich in der Baufinanzierung und habe danach beziehungsweise während meiner Zeit als Führungskraft meine Beratungsunternehmen gegründet. Die Learnings unterscheiden sich an einigen Punkte gar nicht so stärkt – insbesondere geht es darum, die eigene finanzielle Potenz richtig einschätzen zu können und Rückschlüsse zu ziehen – aus der Vergangenheit und Gegenwart, um die Zukunft positiv gestalten zu können.
Genauso, wie es Unternehmen oftmals vor Herausforderungen stellt, wenn sich Märkte und Pläne anders entwickeln, so geht es dem privaten »Häuslebauer« auch, wenn sich gravierende Veränderungen einstellen. Das können positive sein wie Hochzeit oder Kinder oder auch negative wie Scheidung oder Todesfall. Für jeden dieser Momente ist es unabdingbar einen »Plan B« gemacht zu haben – für den Unternehmer und für die Privatperson im Rahmen der Baufinanzierung.
Wir möchten mit meinen Unternehmen in der Beratung und in der Baufinanzierung unterstützen und helfen, den Blick über den Tellerrand zu haben. Dazu haben wir natürlich keine Glaskugel, aber Erfahrungswerte, Studien und Statistiken mit welchen wir unseren Kunden zur Seite stehen und deren Situation analysieren, um klare Empfehlungen auszusprechen.
In der Unternehmensberatung ist unser Kernprodukt hierbei unsere Umsetzungsmaschine, die würde dem ein oder anderen Privatkunden auf dem Weg zur sorgenfreien Baufinanzierung und dem Glück vom Eigenheim ebenfalls nicht schaden.
Inwieweit hat die zunehmende Digitalisierung die Baufinanzierung verändert?
Die Digitalisierung hat die Baufinanzierung grundlegend transformiert und erhebliche Veränderungen bewirkt – angefangen bei der Informationsbeschaffung bis hin zum Abschluss der Finanzierung. Kunden können viel einfacher und transparenter die Konditionen unterschiedlicher Finanzierungsangebote vergleichen. Dies führt zu mehr Markttransparenz und oft auch zu besseren Konditionen für die Kreditnehmer.
Der eigentliche Antragsprozess für eine Baufinanzierung wurde durch die Digitalisierung deutlich vereinfacht und beschleunigt. Interessenten können sämtliche erforderlichen Dokumente digital einreichen und die gesamte Kommunikation über digitale Kanäle abwickeln.
Zudem hat die Entwicklung von Algorithmen und künstlicher Intelligenz die Bonitätsprüfung und Risikobewertung beschleunigt, wodurch Kreditentscheidungen viel schneller getroffen werden können. Dies kommt sowohl den Banken mit effizienteren Prozessen als auch den Kunden mit einer rascheren Kreditzusage zugute.
Nicht zuletzt unterstützen persönliche Finanzmanagement-Tools und Apps die Nutzer dabei, ihre Finanzen besser zu organisieren, was gerade bei der langfristigen Planung einer Baufinanzierung von großem Vorteil sein kann.
In der Gesamtschau hat die zunehmende Digitalisierung somit zu einer bedeutenden Vereinfachung und Effizienzsteigerung in allen Bereichen der Baufinanzierung geführt, wovon Kreditnehmer wie auch Kreditgeber profitieren.
Wie könnte der Immobilienvertrieb der Zukunft aussehen?
Für mich gibt es zwei Schlüsselworte, die den Immobilienvertrieb der Zukunft prägen werden: Simplicity und Kundenorientierung.
Damit wird der Immobilienvertrieb, wie wir ihn heute kennen, einer spannenden Transformation unterliegen, die maßgeblich durch Fortschritte im Bereich der Digitalisierung getrieben wird. In naher Zukunft könnten wir eine Branche erleben, die in hohem Maße von innovativen Technologien wie virtueller und erweiterter Realität profitiert. Diese bieten Immobilieninteressenten einzigartige, immersivere Möglichkeiten, eine Immobilie zu erleben, indem sie etwa virtuelle Besichtigungstouren durch potenzielle neue Heime durchführen, ohne physisch vor Ort zu sein. Dies hatte seinen Anfang während Corona mit digitalen Besichtigungen und wird es möglich machen, Immobilien überall auf dem Globus zu erwerben.
Darüber hinaus könnten datengesteuerte Matchmaking-Systeme, die mithilfe von ausgefeilten Algorithmen arbeiten, die Suche nach der perfekten Immobilie deutlich vereinfachen, indem sie Käufer und Immobilien auf Grundlage spezifischer Präferenzen nahtlos zusammenführen.
Nicht zu vergessen sind digitale Vertragsabschlüsse und die Nutzung von Smart Contracts, die nicht nur den Papierkram eliminieren, sondern auch eine durchgehend transparente und effiziente Vorgehensweise garantieren. Der Baufinanzierer der Zukunft wird dies als Basismodell seinen Kunden anbieten und bereits ab dem ersten Kontakt z.B. über die Homepage oder Social Media »beweisen« müssen. Wir alle können nur von Apple und Amazon lernen, die das Kundenerlebnis (vermeintlich) in den Vordergrund stellen. Hierbei unterstützt die Integration von kundenorientierten Services, wie KI-Kundendienst-Assistenten, die rund um die Uhr für Anfragen zur Verfügung stehen. Diese können dabei unterstützen, alle Aspekte rund um den Immobilienkauf so angenehm wie möglich zu gestalten.
Natürlich wird auch die Art und Weise, wie wir Immobilien vermarkten, von diesen Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ein zunehmendes Engagement in sozialen Medien, begleitet von gezieltem Content-Marketing, wird es ermöglichen, maßgeschneiderte Kaufanreize zu schaffen und dabei die einzigartigen Geschichten hinter jeder Immobilie herauszuarbeiten.
Die wachsende Nachfrage nach nachhaltigem Wohnraum wird außerdem dazu führen, dass ökologische Aspekte und Energieeffizienz verstärkt in den Mittelpunkt rücken und ein integrativer Bestandteil des Vermarktungsprozesses werden.
Zusammenfassend können wir also sagen, dass der Immobilienvertrieb der Zukunft ein äußerst interaktives, effizientes und kundenfreundliches Erlebnis bieten wird, das die bisherigen Grenzen der Immobiliensuche und -transaktionen spürbar erweitert und sowohl Käufern als auch Verkäufern in vielerlei Hinsicht zugutekommt – davon bin ich überzeugt und darauf sollte sich die Branche vorbereiten.
Tobias Epple ist SPIEGEL-Bestseller-Autor und Speaker für die Themen Führung und Vertrieb. Als Berater ist er außerdem Gründer und Inhaber der Epple Consulting.