»Schaff´ und erwirb, zahl´ Steuern und stirb!«, heißt es im Volksmund und tatsächlich kommt dieses Sprichwort nicht von ungefähr: So zeigte eine Untersuchung der OECD im Jahr 2023, dass Deutschland im Vergleich mit den anderen Mitgliedsstaaten der Organisation die zweithöchste Abgabenlast zu verzeichnen hat: Über 47 Prozent seines Einkommens muss etwa ein Single mit durchschnittlichem Einkommen hierzulande an den Staat bezahlen. Auch der Steuererklärung stellt man in Deutschland allgemeinhin kein gutes Zeugnis aus; sie gilt als bürokratisch, aufwendig und undurchsichtig. Zu Recht? Das haben wir Jennifer Frenken gefragt. Im Interview hat uns die Steuerberaterin erklärt, warum die Steuererklärung in Teilen besser ist als ihr Ruf – und welche Reformen sie dennoch als dringend notwendig erachtet.
Frau Frenken, welche Änderungen sieht der Gesetzgeber aktuell für Steuerpflichtige vor und wie können diese davon profitieren?
Der Gesetzgeber hat einige fördernde Änderungen beschlossen, welche Steuerpflichtige nutzen können, um ihre Steuerlast zu reduzieren. Dazu zählen beispielsweise die Erhöhung des Investitionsabzugsbetrages oder enorme Sonderabschreibungen für energieeffiziente Neubauvermietungsobjekte.
Mein Appell an dieser Stelle: Kümmern Sie sich rechtzeitig, um entsprechende Maßnahmen und nicht erst kurz vor der Abgabe der Steuererklärung!
Idealerweise erstellt man sich eine individuelle Strategie, sodass man anhand der Zahlen genau kalkulieren kann, wie hoch die Steuerersparnis ist.
Weiterhin können bestimmte Rechtsformen vorteilhaft sein, mit denen die angesprochenen Förderungen noch effizienter genutzt werden können.
Die Steuererklärung ist zu einem Sinnbild der Bürokratie geworden. Inwiefern stimmt dieses Vorurteil eigentlich mit der Realität überein?
Das Vorurteil, dass die Steuererklärung ein Sinnbild der Bürokratie ist, besitzt eine gewisse Grundlage, da die Komplexität und der Umfang der Steuerformulare oft als überwältigend empfunden werden. Viele Menschen finden es schwierig, die verschiedenen Regelungen und Formulare zu verstehen, was den bürokratischen Eindruck verstärkt. Regelmäßige Änderungen im Steuerrecht und die Notwendigkeit, sich stets auf dem Laufenden zu halten, tragen ebenfalls zu diesem Bild bei.
Gleichzeitig hat die Digitalisierung jedoch viele Prozesse vereinfacht. Elektronische Steuererklärungen und Steuer-Software haben den Ablauf für viele erleichtert, obwohl es weiterhin technische Hürden gibt. Zudem sorgt die Komplexität des Systems auch für Gerechtigkeit und Präzision, was ein einfacheres System möglicherweise nicht gewährleisten könnte.
Trotz dieser Fortschritte bleibt das Bild einer bürokratischen Steuererklärung bestehen, weil weiterhin Verbesserungen und Vereinfachungen nötig sind, um den Prozess für alle Beteiligten zugänglicher und effizienter zu gestalten.
Als Steuercoach möchten Sie Ihre Klienten in puncto Steuern unterstützen – Ihr Leitsatz lautet dabei: »Design your tax«. Welche Möglichkeiten bieten sich dabei konkret und wo liegen die Grenzen einer solchen Steueroptimierung?
Als Steuerberaterin mit dem Leitsatz »Design your tax« ziele ich darauf ab, meinen Klienten maßgeschneiderte Strategien zur Steueroptimierung zu bieten. Hier sind die konkreten Möglichkeiten und die Grenzen dieser Steueroptimierung:
Zu den Möglichkeiten zählt unter anderem die individuelle Steuerplanung: Durch eine detaillierte Analyse der Einkommens- und Ausgabensituation können gezielte Empfehlungen geben werden, wie zum Beispiel welche Strukturen für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sind mit dem Blick auf persönliche Ziele. Zudem lässt sich über eine Identifikation der relevanten steuerlichen Vergünstigungen, wie beispielsweise Werbungskosten oder Betriebsausgaben, die Steuerlast zu minimieren. Zudem kann ich über die steuerlich vorteilhaften Investitionsabschreibungen informieren. Das umfasst beispielsweise oder die Unternehmensstrukturierung. Für Selbständige und Unternehmer bietet sich die Beratung zu optimalen Rechtsformwahl und zur Nutzung von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens an. Zudem umfasst die Beratung auch die steuerliche Gestaltung von Familienangelegenheiten, einschließlich der optimalen Nutzung von Freibeträgen im Rahmen des Generationenwechsels.
Grenzen der Steueroptimierung können beispielsweise die gesetzlichen Vorschriften sein. Steueroptimierung muss immer im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften erfolgen. Steuerhinterziehung oder aggressives Steuervermeidung ist illegal und kann zu erheblichen Strafen führen. Zudem ist das deutsche Steuerrecht äußerst komplex und Änderungen sind häufig. Dies erfordert ständige Weiterbildung und aktuelle Informationen, um rechtskonform zu bleiben. Neben der rechtlichen Komponente gibt es auch ethische Überlegungen. Steueroptimierung sollte nicht zu unethischem Verhalten oder zur Schädigung des Gemeinwohls führen. Letztlich ist jede steuerliche Situation einzigartig. Was für den einen Klienten optimal ist, muss nicht zwingend für den anderen gelten. Eine pauschale Lösung gibt es nicht, und die individuellen Bedürfnisse und Ziele müssen stets berücksichtigt werden. Steuerplanung ist also keine Einheitslösung, sondern kann individuell gestaltet werden kann. Durch fundierte Beratung und sorgfältige Planung helfe ich, Steuerlasten zu minimieren und finanzielle Ziele effizienter zu erreichen. Dabei achte ich stets darauf, innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu agieren und ethische Standards einzuhalten.
Vor etwa einem Jahr plädierte der Chef der Steuergewerkschaft für gravierende Änderungen, die einer teilweisen Abschaffung der Steuererklärung gleichkämen. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?
Die Idee, die Steuererklärung durch gravierende Änderungen teilweise abzuschaffen, ist zweifellos ein radikaler Vorschlag, der viele Steuerpflichtige entlasten könnte. Hier sind einige Gedanken dazu: Auf der einen Seite könnte eine teilweise Abschaffung der Steuererklärung den Prozess für Millionen von Bürgern erheblich vereinfachen. Viele Menschen empfinden die jährliche Steuererklärung als komplex und zeitaufwendig. Eine Vereinfachung würde eine große Erleichterung darstellen. Weniger Papierkram und Bürokratie könnten die Effizienz der Finanzämter steigern. Diese könnten sich dann verstärkt auf komplexere Fälle konzentrieren und die Bearbeitungszeiten insgesamt verkürzen. Nicht zuletzt könnte ein vereinfachtes System die Steuerehrlichkeit fördern. Wenn Steuerpflichtige weniger mit komplizierten Formularen und Regelungen konfrontiert sind, sinkt die Hemmschwelle, die Steuererklärung korrekt und vollständig einzureichen.
Auf der anderen Seite gebe ich zu bedenken, dass ein pauschaler Ansatz die individuelle steuerliche Situation vieler Menschen nicht ausreichend berücksichtigen könnte. Steuerliche Vergünstigungen und Abzüge, die für bestimmte Gruppen wichtig sind, könnten untergehen, was zu Ungerechtigkeiten führen könnte. Das deutsche Steuerrecht ist zudem komplex und vielfältig. Eine radikale Vereinfachung birgt das Risiko, dass wichtige Differenzierungen und Feinheiten verloren gehen, die derzeit für eine faire und präzise Steuererhebung sorgen. Die Implementierung eines solch drastischen Wandels wäre ein großer administrativer und gesetzgeberischer Aufwand. Es müssten umfangreiche Anpassungen der bestehenden Systeme und Gesetze vorgenommen werden
Während also die Idee, die Steuererklärung teilweise abzuschaffen, attraktive Vorteile wie Vereinfachung und Entlastung bietet, darf nicht übersehen werden, dass die Umsetzung komplex und herausfordernd wäre. Es ist wichtig, eine Balance zwischen Vereinfachung und Gerechtigkeit zu finden. Jede Reform sollte sorgfältig geplant und getestet werden, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen aller Steuerpflichtigen gerecht wird und die Integrität des Steuersystems bewahrt bleibt.
Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern, um das Image des deutschen Steuersystems langfristig zu verbessern?
Um das Image des deutschen Steuersystems langfristig zu verbessern, sind Transparenz, Effizienz und Gerechtigkeit entscheidend. Transparenz kann durch klarere Kommunikation und verständlichere Erklärungen der Steuerpolitik und -verfahren erreicht werden. Leider arbeiten wir in der Praxis mit einem wahren Bürokratiemonster. Effizienzsteigerungen könnten durch den verstärkten Einsatz digitaler Technologien und eine Vereinfachung der Steuererklärung und -abwicklung erzielt werden.
Gerechtigkeit bedeutet, dass das Steuersystem als fair empfunden wird und das der Staat besser mit Steuereinnahmen umgeht.
Ein weiterer wichtigster Punkt in meinen Augen: Das Fach Steuerrecht gehört bereits in die Schulen, Hochschulen und Universitäten!
Unsere Gesprächspartnerin:
Jennifer Frenken ist als Steuerberaterin, LL.M.,Dipl. Finanzwirtin und als zertifizierte Stiftungsberaterin bekannt. Neben ihrer Tätigkeit als Steuercoach ist sie als Hochschuldozentin gefragt.
Beitragsbilder: Matti Husemann Fotografie
AS (L)