Das Geschäftsleben befindet sich in einem großen Wandel. Viele Unternehmen müssen sich neu ausrichten, um den Anschluss zu behalten, um der Digitalisierung zu folgen oder die Strukturen zu modernisieren. Da gilt es, diesen Prozess gemeinsam mit den Mitarbeitern zu schaffen. Wie das gehen kann, erklärt Business- und Life-Coach Martin Curtz in unserem Interview.
Herr Curtz, manchmal stecken Unternehmen fest und entwickeln sich gar nicht oder in die falsche Richtung. Wo beginnen Sie als Coach?
Am liebsten setze ich ganz vorne an, wenn die Unternehmensführung den Entschluss fasst, einen Veränderungsprozess durchzuführen. Hier kann ich dann den kompletten Prozess begleiten und meine Erfahrungen einfließen lassen. Die Realität sieht aber oft so aus, dass schon mit dem Prozess begonnen wurde, und das Führungsteam dann feststellt, dass es nicht so richtig vorangeht oder nicht die erwünschte Wirkung im Unternehmen hat. Dann führe ich viele Einzelgespräche mit den Beteiligten, um zu sehen, woran es genau liegt, dass der Prozess ins Stocken geraten ist, und um dort anzusetzen, ihn wieder zu beleben.
Change-Management ist im laufenden Betrieb nicht einfach. Wo setzen Sie in diesem Prozess an?
Wenn klar ist, was genau erreicht werden soll, ist der wichtigste Schritt, alle ins Boot zu holen. Alle Mitarbeiter sollen verstehen, was warum gemacht wird. Und auch hier hilft es, klar zu kommunizieren, welche Herausforderungen im laufenden Prozess stattfinden können. Ich erlebe oft, dass die Mitarbeiter gerne bereit sind, die berühmte Extra-Meile für den Zeitraum des Prozesses zu gehen, wenn sie sich abgeholt fühlen und hinter dem gemeinsamen Ziel stehen.
Bei tiefgreifenden Strukturänderungen im Unternehmen, zum Beispiel durch die Digitalisierung, verändert sich das Innere eines Unternehmens. Dies kann vermutlich nur in verschiedenen Phasen erfolgen. Was sind das für Phasen?
Man spricht in der Literatur in der Regel von sieben Phasen, die ein solcher Prozess durchläuft. Es beginnt in der Phase, in der das Unternehmen beschließt, eine Veränderung durchzuführen und die Führungskräfte hierzu ins Boot holt, bis hin zur Einführung des Wandels. Die Phasen dazwischen sind sehr stark davon geprägt, mit unterschiedlichen Reaktionen und Emotionen der Mitarbeiter zu dem anstehenden Prozess umzugehen.
Ob Mitarbeiter den Wandel mitmachen, hängt sicher zum großen Teil von der Kommunikation ab. Viele fühlen sich vielleicht bedroht und erkennen die Notwendigkeit nicht. Womit sollte ein Entscheider beginnen?
Bei den Mitarbeitern trifft man in der Regel auf drei Kategorien. Die eine Gruppe ist sofort dabei und begrüßt Veränderungen, die zweite lehnt diese erstmals kategorisch ab und die dritte wartet eher mal neutral ab, was da so auf sie zukommt. Als Entscheider sollte ich mir bewusst sein, dass es diese Gruppen gibt. Oft wird die komplette Aufmerksamkeit auf die Gruppe gelegt, die den Prozess ablehnt. Diese ist oft auch die »lauteste« Gruppe und schafft sich so Gehör. Ich würde mein Augenmerk viel mehr auf die neutralen Beobachter legen, da diese oft eine viel größere Gruppe sind, und würde diese durch aktive Kommunikation für den Prozess gewinnen und begeistern.
Die Gruppe, die den Prozess erstmal ablehnt, gilt es aber auch anzuhören und zu verstehen, welche Ängste hier vorliegen. Man darf meiner Meinung nach nie vergessen, dass alle Mitarbeiter in irgendeiner Form schon mal Teil von Veränderungsprozessen waren und je nach der persönlichen Erfahrung sind Vorbehalte allen neuen Prozessen gegenüber vorhanden. Generell gilt für alle drei Gruppen: Sie wollen verstehen, um was es in dem Prozess geht, welche Auswirkungen dieser für sie persönlich hat.
Alles schreitet voran, nichts steht still. Hat sich innerhalb des Change-Managements auch schon ein Wandel vollzogen?
Die Anzahl von Change-Prozessen nimmt deutlich zu. Durch die Digitalisierung und die agilen Kooperationsmöglichleiten ist ein Veränderungsprozess nicht mehr länger ein in sich abgeschlossenes Projekt. Jedoch ist eben gerade diese Digitalisierung laut eines Berichts der Personalberatungsfirma Gartner HR auch eine der größten Herausforderungen, wenn es um die Geschwindigkeit in der Umsetzung des Prozesses geht.
Bei einem verordneten Wandel »von oben« kann viel Mitarbeiterpotenzial übergangen werden. Aber manche Unternehmen sind sehr komplex – gibt es da überhaupt eine Alternative zum Top-down-Prinzip?
Laut Statistiken wird der Arbeitsmarkt bald zu etwa 50 Prozent aus Millennials bestehen. Diese haben eine andere Erwartung an die Unternehmenskultur und setzten sich kontroverser mit den Veränderungen in ihren Unternehmen auseinander. Der Wunsch, sich aktiv einbringen zu können, ist stark ausgeprägt. Hierin liegt eine große Möglichkeit für die Unternehmen, die gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeiter einzubeziehen und deren Potenziale zu nutzen. Die Entscheidung, ob eine Veränderung stattfinden soll, wird immer noch bei den Entscheidern liegen, jedoch sollte der Prozess der Umsetzung anders als in der Vergangenheit laufen, wenn ich diese Mitarbeiter an mein Unternehmen binden möchte.