Die Corona-Pandemie und die darauf folgenden politischen Antworten werden von vielen Menschen angezweifelt – zwei FDP-Abgeordnete fordern eine Prüfung der Maßnahmen und eine Stärkung des parlamentarischen Selbstbewusstseins aus. Die beiden FDP-Abgeordneten Konstantin Kuhle und Frank Schäffler, fordern in ihrem Meinungsstück in der WELT, dass die Abgeordneten nach der parlamentarischen Sommerpause aktiv über die Antworten auf die Corona-Pandemie diskutieren sollen. Seit März gilt ein besonderer Status, der es dem Bundesgesundheitsministerium erlaubt, bestimmte Regeln direkt als Rechtsverordnungen zu erlassen, welche eigentlich durch das Parlament beschlossen werden müssten. „Die Exekutive hat diese Befugnisse umfangreich genutzt, etwa zur Stärkung der Krankenhäuser oder zur besseren Verteilung medizinischer Ausrüstung“, schreiben Kuhle und Schäffler. Man habe sich aber darauf verständigt, dass dieses Instrument nur bei einer Überforderung des Gesundheitssystems und in einer Situation, in der die Länder die Pandemie nicht mehr bekämpfen können, gilt. Diese Voraussetzungen seien aktuell nicht mehr erfüllt.
In der Krise ist es verständlich, dass die verschiedenen Parteien an einem Strang ziehen, doch sollten die Maßnahmen aufgehoben werden und nach Kuhle und Schäffler vom Bundestag selbst überprüft, verbessert und als Gesetz neu beschlossen werden. „Denn so richtig das gemeinsame Handeln am Anfang der Pandemie-Bekämpfung war, so sehr muss uns der politische Streit als Kern des freiheitlich-demokratischen Systems erhalten bleiben“.
Die Übereinstimmung der meisten Parteien in der Anfangsphase und in der Bekämpfung des Corona-Virus scheint als eine willkommene Abwechslung und als „attraktives Gegenkonzept“ zum sonst eher streitenden Parlament. Kuhle und Schäffler sprechen sich dafür noch aus, dass Streit der Sinn der Sache sei und „erst die Ausdehnung einer Gesetzesberatung auf drei Lesungen über mehrere Wochen ermöglicht es, Expertinnen und Experten bei einer Anhörung einzubeziehen, Diskussionen in den Ausschüssen und Fraktionen zu führen und einem Gesetz im Parlament einen politischen Stempel aufzudrücken.“
Parlament als Interessenvertretung
„Ein Parlament, das auf diese Instrumente verzichtet, weil es Vorlagen möglichst schnell durchpeitschen will, entmachtet sich selbst.“ Das Parlament soll in erster Linie mit den 709 gewählten Interessensvertretern der Bevölkerung in deren Interesse arbeiten und streiten. Eine Schwächung des Parlamentarismus schwächt auch die „unterschiedlichen Interessen, Sorgen und Wünsche aus der Bevölkerung“ die in die Politik getragen werden sollen.
Zu einer „demokratischen Stabilitätsstruktur“ gehört in Deutschland auch, dass vor allem die Opposition ihre Parlamentsrechte wahrnehmen kann. Nach Kuhle und Schäffler kann sie diese Aufgabe aber nicht ausüben und die beiden bezeichnen es als „eine Farce, dass Fragen an die Bundesregierung für die Fragestunde am Mittwoche einer Sitzungswoche weiterhin vorab schriftlich eingereicht werden müssen, damit der zuständige Parlamentarische Staatssekretär eine Antwort vorlesen kann.“