Schon seit Jahren wird das Thema Energiewende immer wichtiger. Doch was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft? Behindert die immer stärker werdende Fokussierung auf Nachhaltigkeit diese? Ganz im Gegenteil, meinen Philipp Boros und Aaron Brück, die Gründer und Geschäftsführer der Seals Group. Die Experten erklären im Interview, welche Chancen die Energiewende für die deutsche Wirtschaft bietet und in welchen Energiequellen sie die Zukunft des Energiemarkts sehen.
Herr Boros, Herr Brück, überall wird über die Energiewende gesprochen, aber was ist im Moment überhaupt der Status quo?
Die Energiewende in Deutschland hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, steht aber weiterhin vor großen Herausforderungen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung wächst kontinuierlich und liegt derzeit bei etwa 50 Prozent. Vor allem Wind- und Solarenergie tragen maßgeblich dazu bei. Im Jahr 2022 wurde erstmals mehr Strom aus erneuerbaren Quellen als aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Gleichzeitig stockt der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem bei Windkraft an Land, und die Integration der Solarenergie ins Netz bleibt komplex.
Eine aktuelle große Herausforderung der Energiewende ist es außerdem, die Stärken der verschiedenen Regionen in Deutschland effektiv zu nutzen. In Niedersachsen beispielsweise haben wir sauberen Strom im Überfluss, verfügbare Flächen und eine ausgebaute Infrastruktur. Diese ausgezeichneten Voraussetzungen bieten enormes Potenzial, die Energiewende voranzutreiben.
Damit das gelingt, sind insbesondere die politischen Rahmenbedingungen der Energiewende von großer Bedeutung. Vom Ausbau der erneuerbaren Energien bis hin zur Kraftwerksstrategie gibt die Politik eine hohe Zahl an wichtigen Leitplanken für die Umsetzung der Energiewende vor. Die Frage, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen, wird jedoch weiterhin heiß diskutiert.
Insgesamt befindet sich die Energiewende in einer kritischen Phase: Während wichtige Meilensteine erreicht wurden, müssen Tempo und Effizienz sowie Planungssicherheit deutlich gesteigert werden, um die Klimaziele für 2030 zu verwirklichen und eine verlässliche, nachhaltige Energieversorgung zu gewährleisten.
Wie wirkt sich die Energiewende auf die Energiepreise aus?
Die Energiewende hat einen komplexen Einfluss auf die Energiepreise. Beim Strom führen einerseits der Ausbau erneuerbarer Energien und technologische Fortschritte langfristig zu sinkenden Kosten für die Stromerzeugung. Wind- und Solarenergie sind mittlerweile günstiger als fossile Energieträger. Andererseits steigen kurzfristig die Energiepreise aufgrund der hohen Investitionen in Infrastruktur, den Ausbau der Stromnetze und die Modernisierung der Energieversorgung. Zudem verteuern steigende CO2-Preise fossile Brennstoffe, was sich ebenfalls auf die Endverbraucherpreise auswirkt.
Beim Gaspreis haben der Ukraine-Krieg und die Abkehr von russischem Gas die Entwicklung beim Gaspreis erheblich beeinflusst. Die Umstellung auf alternative Gasquellen wie Flüssiggas (LNG) sorgt für zusätzliche Preisschwankungen. Insgesamt wird erwartet, dass die Preise mittelfristig stabiler werden, sobald die erneuerbaren Energien einen noch größeren Anteil der Versorgung übernehmen und neue Technologien wie Energiespeicher breit genutzt werden.
Inwieweit unterstützt die Energiewende die deutsche Wirtschaft?
Die Energiewende stärkt die deutsche Wirtschaft auf vielfältige Weise. Der Ausbau von erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie schafft nicht nur zahlreiche Jobs in Forschung, Entwicklung, Produktion und Wartung, sondern treibt auch Innovationen voran. Zudem eröffnen sich neue Exportchancen, da weltweit immer mehr Länder auf nachhaltige Energielösungen setzen. Der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien macht Deutschland auch unabhängiger von globalen Preisschwankungen und sorgt für eine sichere Energieversorgung. Gleichzeitig können Unternehmen ihren CO₂-Ausstoß senken, was angesichts strengerer Gesetze und einer steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Produkten ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die intelligente Vernetzung von Energiedaten, zum Beispiel durch Home Energy Management Systeme (HEMS). Der bloße Vorteil über einzelne Hardware-Komponenten wird zunehmend schwieriger zu erzielen. Der Schlüssel zu einem echten Wettbewerbsvorteil liegt daher in innovativen IT-Lösungen und Software, die durch Datenanalyse und effiziente Energieverwaltung den Einsatz erneuerbarer Energien weiter optimieren und so Kostenvorteile schaffen.
Als Vertriebsdienstleister für die Energiewirtschaft sehen wir außerdem zahlreiche neue Geschäftsfelder und Chancen, die durch die Energiewende entstehen. Durch nachhaltige Produkte wie Solaranlagen, Wärmepumpen oder Energiespeicher entstehen neue Absatzmöglichkeiten. Energieeffiziente Produkte werden sowohl für Endverbraucher als auch für Geschäftskunden attraktiver. Insgesamt erfordert die Energiewende eine Anpassung der Vertriebsstrategien, schafft jedoch enorme Potenziale für Umsatzsteigerung und Marktpositionierung.
Welche Energiequellen sehen Sie als Zukunft des Energiemarkts?
Die Zukunft des Energiemarkts wird maßgeblich von erneuerbaren Energiequellen geprägt sein. Allen voran stehen Wind- und Solarenergie, die aufgrund ihrer stetigen technologischen Weiterentwicklung und sinkenden Kosten weiterhin an Bedeutung gewinnen werden. Insbesondere Offshore-Windkraftanlagen und großflächige Solaranlagen bieten ein enormes Potenzial zur Deckung des Energiebedarfs.
Auch die Nutzung von Wasserkraft und Geothermie wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, insbesondere in Regionen, in denen diese Ressourcen effizient genutzt werden können. Biomasse könnte vor allem im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung und zur Erzeugung von Biokraftstoffen eine Ergänzung zu den anderen erneuerbaren Energien darstellen.
Darüber hinaus wird Wasserstoff als Energieträger der Zukunft immer relevanter. Grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellt wird, ermöglicht eine flexible Energiespeicherung und ist vielseitig einsetzbar, etwa in der Industrie, im Verkehr oder zur saisonalen Stromspeicherung.
Letztlich wird die Energiezukunft in einem Mix aus diesen erneuerbaren Quellen liegen, ergänzt durch innovative Speichertechnologien und intelligente Netze. So kann eine stabile, nachhaltige und unabhängige Energieversorgung gewährleistet werden.
Wie kann KI den Energiemarkt unterstützen?
Künstliche Intelligenz kann den Energiemarkt auf vielfältige Weise effizienter, stabiler und nachhaltiger gestalten. Ein zentraler Bereich ist die Optimierung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie. KI analysiert Echtzeit-Wetter- und Anlagendaten, um präzise Erzeugungsprognosen zu treffen, wodurch die Nutzung der Anlagen verbessert und die Integration ins Stromnetz erleichtert wird.
Auch im Energiemanagement spielt KI eine wichtige Rolle. KI-gestützte Systeme analysieren den Energieverbrauch in Haushalten, Gebäuden und Unternehmen und passen den Einsatz von Geräten wie Heizungen oder Klimaanlagen anhand von Verbrauchsmustern an. Dies steigert die Energieeffizienz und reduziert Kosten. In Smart Grids sorgt KI durch die Analyse von Erzeugungs- und Verbrauchsdaten für die Netzstabilität, indem sie Lastspitzen vorhersagt und automatisch Maßnahmen ergreift, um Engpässe zu vermeiden.
Zudem kann KI den Vertrieb von Energieprodukten und -dienstleistungen erheblich unterstützen. Durch die Analyse von Marktdaten und Kundenverhalten kann KI Vertriebsteams dabei helfen, individuelle Angebote zu erstellen und gezielte Kundenansprachen zu ermöglichen. KI kann etwa erkennen, welche Kunden an Produkten wie Solaranlagen oder Energiespeichern interessiert sein könnten und den Verkaufsprozess durch automatisierte Beratungstools optimieren. Darüber hinaus lässt sich der Erfolg von Vertriebsstrategien mithilfe von KI überwachen und in Echtzeit anpassen, um auf Marktentwicklungen schneller zu reagieren.
Auf den Energiemärkten kann KI große Datenmengen analysieren, um Handelsentscheidungen zu optimieren. Sie unterstützt die Integration erneuerbarer Energien, indem sie die Steuerung von Energiespeichern wie Batterien und Wasserstoffanlagen verbessert, sodass Überschüsse sinnvoll gespeichert oder ins Netz eingespeist werden können. Auch in der Wartung von Energieanlagen erkennt KI Anomalien frühzeitig, was gezielte Reparaturen ermöglicht, Ausfallzeiten minimiert und die Lebensdauer der Anlagen verlängert. Insgesamt hilft KI damit, die Herausforderungen der Energiewende effizient zu bewältigen und gleichzeitig Bereiche wie den Vertrieb effektiver zu gestalten.
Aaron Brück und Philipp Boros sind Experten für Energiewirtschaft und Vertrieb sowie die Gründer und Geschäftsführer der Seals Group, die sich auf Vertriebsdienstleistungen für Stadtwerke und Energieversorger spezialisiert hat. Das Unternehmen wurde von FOCUS Business und Statista zum Wachstumschampion 2025 ausgezeichnet und gehört zu den TOP 20 der am schnellsten wachsenden Unternehmen Deutschlands.
Bilder: KNALLBUNT & EDEL