Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat im Bundestag den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Börse gefordert, um den Kapitalmarkt in Europa attraktiver und international wettbewerbsfähiger zu machen. »Wir brauchen eine Art European Stock Exchange, damit erfolgreiche Unternehmen wie zum Beispiel Biontech aus Deutschland nicht an die New Yorker Börse gehen müssen«, sagte Merz am Donnerstag in Berlin. Damit greift er ein Thema auf, das seit Jahren in der EU feststeckt: die Vollendung der Kapitalmarktunion.
Ziel der Kapitalmarktunion ist es, mehr europäisches Kapital für europäische Unternehmen verfügbar zu machen und damit Innovation, Wachstum und Standortattraktivität zu stärken. Doch bislang scheiterte eine einheitliche Kapitalmarktaufsicht an Interessenkonflikten der Mitgliedsstaaten. Länder wie Luxemburg, Irland oder Zypern lehnen eine zentrale Aufsicht ab, da sie über lockere Regulierung gezielt Finanzgeschäfte anziehen. Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin bremste lange. Nun signalisiert Berlin, dass es seine Haltung überdenken will.
Eine deutsch-französische Annäherung könnte das Vorhaben beschleunigen. Sowohl Bundesfinanzministerium als auch die französische Regierung unterstützen eine stärkere Rolle der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma, die künftig die Aufsicht über den gemeinsamen Kapitalmarkt übernehmen könnte. Die Europäische Zentralbank in Frankfurt hat bereits die Bankenaufsicht inne, was die Integration erleichtern würde.
Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi hatte in seinem Wettbewerbsbericht ebenfalls eine vollständige Integration nach dem Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC gefordert. Hintergrund ist, dass viele europäische Unternehmen bei Börsengängen lieber an die Wall Street gehen, weil europäische Märkte als zu klein und zersplittert gelten.
Zusätzlich kündigte Merz an, die Regulierung im Bankensektor zu vereinfachen, um Finanzierungen für Unternehmen zu erleichtern. Die Bundesregierung will auf EU-Ebene die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandorts stärken, ohne die Stabilität des Systems zu gefährden.
SK
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