Am 17. Februar ist der »Digital Services Act (DSA)« in Kraft getreten. Haben Sie davon schon gehört? Mit dem DSA müssen digitale Anbieter gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen. Aber nicht nur das, sondern auch was nicht den »EU-Werten« entspricht (wer bestimmt die?) oder «anderweitig schädlich« ist, muss in Zukunft gelöscht werden. Besonders die schwammige Definition »anderweitig schädlich« lässt viel Spielraum zur Auslegung und könnte somit eine Gefahr für Missbrauch sein und die freie Meinungsäußerung beschränken.
Wurde jetzt ein Wahrheitsministerium wie aus Orwell’s Roman «1984« erschaffen? Ist der DSA brandgefährlich und öffnet das Tor zu noch mehr Zensur und Meinungsunterdrückung auf sozialen Plattformen? Falls ja, wo bleibt der öffentliche Aufschrei, wo sind die Demonstrationen und Lichterketten? Lassen Sie uns die Eckdaten gemeinsam anschauen und machen Sie sich ein eigenes Bild:
Die Ziele des DSA
Bereits im letzten Jahr war der DSA für große Konzerne wie Meta, Amazon und Co. in Kraft getreten. Zu den ersten Opfern zählte im letzten Jahr bereits die Plattform X (ehemals Twitter). Erst vor wenigen Tagen hat es außerdem die Social-Media-Plattform TikTok getroffen. Auf Grundlage des DSA hat die EU nun offiziell Ermittlungen gegen das Unternehmen hinter TikTok eingeleitet. Seit dem 17. Februar gilt der DSA nun also auch für kleinere Plattformbetreiber mit weniger als 45 Millionen Kunden.
Die drei Hauptziele des DSA hören sich zunächst einmal harmlos an. So sollen erstens illegale Inhalte schneller und effektiver von den Plattformen entfernt werden. Zweitens sollen die Plattformen transparenter werden und den Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten geben. Und drittens soll der Wettbewerb im Online-Bereich fairer gestaltet werden. So far so good. Damit kann ich mitgehen.
Der digitale Blockwart
Damit werden wir alle zur Zensurstelle und einige Mitmenschen werden ihren feuchten Traum der politischen Korrektheit emsig und übereifrig erfüllen. Alleine die Flut der ungerechtfertigten Meldungen wird ein neues Bürokratiemonster entstehen lassen, was Milliarden an nicht produktiven Euros verschlingen wird.
Erfolgt damit die Bekämpfung von Fake News nicht zufriedenstellend, so müssen die Plattformen mit Strafzahlungen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes rechnen. Klingt wenig. Das kann im Einzelfall aber dann schon mal ein paar Milliarden Euro bedeuten.
Wer bestimmt, was «schädlich« ist?
Aber der DSA beinhaltet noch eine weitere Neuerung, die stark nach 1984 klingt. Konkret geht es um den sogenannten «Krisenmechanismus«, den die EU-Kommission wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nachträglich vorgeschlagen hatte. Dieser gibt der EU-Kommission das Recht, in Fällen wie zum Beispiel einer Pandemie oder Krieg, die Anbieter bzw. die Plattformen aufzufordern, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die Öffentlichkeit zu «informieren« – oder gar manipulieren? Online-Plattformen könnten etwa gezwungen werden, Informationen an Aufsichtsbehörden und Experten abzugeben – ohne Kritik und Gegenfragen. Damit werden die Medien wieder einmal ungefiltertes Sprachrohr der Regierungen wie zu Coronazeiten.
In anderen Worten: Die EU-Kommission, also die Politiker in Brüssel, haben nun die Möglichkeit, immensen Einfluss auf Plattformen wie Twitter oder YouTube auszuüben. Das, was bislang vermutlich hinter verschlossenen Türen stattgefunden hat, wird nun also völlig rechtens.
Könnte es vielleicht sein, dass man hier eine Rechtsgrundlage schafft, um zukünftig unliebsame Meinungen noch schneller von den Plattformen verschwinden zu lassen? Der Verdacht liegt zumindest nahe.
Die EU hat damit also die Möglichkeit, künftig in «Notfallsituationen« (auch dieser Begriff ist sehr schwammig) maßgeblich Einfluss darauf zu nehmen, was Nutzer auf den Sozialen Kanälen sehen dürfen oder nicht. Und dabei muss sie dies noch nicht einmal konkret anordnen, denn im Zweifel werden die Plattformen Inhalte schon im vorauseilenden Gehorsam löschen, um nicht selbst eine Strafe aufgebrummt zu bekommen.
So wird es den Plattformen zum Beispiel verboten, dass man im Ranking eigene Produkte oder Dienstleistungen bevorzugt. Auch die sogenannten «Dark Patterns« sind künftig verboten. Dark Patterns sind im Grunde genommen Versuche der Anbieter, den Nutzer zu Aktionen und Klicks zu bewegen, die er eigentlich nicht treffen würde.
Gefahr der Zensur und der Diskursverengung
Es bleibt abzuwarten, wie der DSA umgesetzt wird und ob legitime und fundierte Kritik an der EU, Regierungen und NGOs noch erlaubt bleibt. Schon jetzt sehen wir erste bedenkliche Entwicklungen in Deutschland, die in eine andere Richtung gehen. So hat es erst vor wenigen Tagen bei einem Unternehmer aus Bayern eine Hausdurchsuchung der Polizei gegeben, weil dieser sich auf Spott-Plakaten über Grünen-Chefin Ricarda Lang und Wirtschaftsminister Robert Habeck lustig gemacht hatte.
Vieles, was sich mittlerweile als wahr erwiesen hat, wäre damals unter dem DSA gelöscht worden. Ich denke dabei vor allem an die Lockdown-Politik, das Schließen von Schulen, Zweifel an der Wirksamkeit von Masken oder berechtigte Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit der Impfungen gegen Covid-19. Darüber hinaus wäre zudem so manche Kritik an der verkorksten und chaotischen Flüchtlingspolitik der Merkel- und Ampel-Regierung vermutlich zum Opfer des DSA gefallen. Außerdem denke ich hier an die jüngste Debatte im Fußball, wo Fans berechtigterweise anmerken, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Auch solche Aussagen könnten theoretisch Plattformbetreiber dazu bewegen, diese von ihren Plattformen zu canceln.
Marc Friedrich ist Deutschlands erfolgreichster Sachbuchautor (7 SPIEGEL Bestseller in Folge), ausgewiesener Finanzexperte, gefragter Redner, YouTube-Star, bekannt aus Funk und TV, Vordenker, Freigeist und Honorarberater.
Bilder: Marc Friedrich, Despositphotos / tbtb